Wenn Reporter*innen reden – von Tigerplüsch und Sommerlochtieren
Die ganz großen Lacher blieben beim Reporter Slam 2025 aus, doch LVZ-Reporterin Laura Krugenberg und die „Tigerkönigin aus Schkeuditz“ zeigen: Manchmal ist eine gut erzählte Geschichte eben genug.
Reporter*innen – vielleicht sind Sie einmal einem Exemplar dieser seltenen Sorte Mensch begegnet. Nein? Holen Sie es nach, es lohnt sich bestimmt! Sechster Finger – Kugelschreiber, Sehnenscheidenentzündung, Chefredakteur*in in der Warteschleife, gehetzter Blick. Doch Reporter*in ist nicht gleich Reporter*in. Ob im Radio, in der Zeitung oder als bewegtes Bild in den acht Uhr Nachrichten – sich vor einen Saal mit knapp 320 Menschen mit Unterhaltungsanspruch zu stellen und einen Slam über die eigene Recherchearbeit vorzutragen, ist nicht Teil des Berufsbildes. Genau das gab es am vierten November beim Reporter Slam im Werk 2 zu sehen.
Die fünf Journalist*innen Fabian Held (Hallewood, Der Dunkle Parabelritter), Antje Henselin-Rudolph (LVZ), Alexander Moritz (Deutschlandradio), Christian Fuchs (Die Zeit) und Laura Krugenberg (LVZ) – verdiente Gewinnerin des Abends und damit des Tickets zum großen Reporter Slam Jahresfinale in Berlin – stellten sich mutig der Herausforderung. In jeweils zehn Minuten Redezeit nehmen die Slammenden die Zuhörer*innen mit hinter die Kulissen und berichten mit Witz und Wortgewandtheit von der fesselnden, oft skurrilen Recherche, die hinter jeder guten journalistischen Arbeit steht. Um die journalistische Zeitenwende, Konkurrenz durch KI und die Glaubwürdigkeit unabhängiger Berichterstattung geht es dabei weniger. Politisch sind nur die immer wieder eingestreuten, von Frustration geprägten, AFD-Anekdoten und die Texte von Leipziger Musiker und Songwriter JPD, der das Programm live musikalisch ergänzt. Doch ein politisches Zeichen setzten, das war auch nicht der Anspruch, wie Mensch schon am nicht gegenderten Titel der Veranstaltung merken kann.
Wie eine gute journalistische Arbeit gestaltet sich auch der Abend. Fesselnder Einstieg, solide Mitte und ein grandioses Ende. Dabei versteht sich Moderatorin Greta Taubert besser als einige der Teilnehmer*innen darauf, das Leipziger Publikum abzuholen und auch noch die letzten Reihen der nahezu ausverkauften, in rötlichen Lampenschein getauchten, Industriehalle mit Gelächter zu füllen. Für Gelächter sorgte auch Fabian Held. Mit dem „Reporteralptraum Sommerlochtier“ entführte er als erster Slammer das Publikum auf die Spuren der Löwin von Kleinmachnow, des Problemwels vom Brombachsee und eines Krokodils, das vermutlich keines war. Offen und kritisch berichtete er von Zeiten, in denen die Ideen und Spektakel einfach ausbleiben und dafür immer wildere immer furchteinflößendere Kreaturen die Medienwelt unterwandern.
Nach Antje Henselin-Rudolph, deren unterhaltsame Anekdoten als Sport-Reporterin der LVZ bei Auswärtsspielen des RB Leipzig zwar nicht die Farbe Rot, aber dafür durchaus etwas den roten Faden vermissten, ging es weiter mit Schnittchen und Spanferkel. Alexander Moritz, Deutschlandfunk-Landeskorrespondent für Sachsen mit selbsterklärter Buffetobsession, erklärte bildreich, was Mensch beim Schlemmen über Landespolitik lernen kann. Danach ist etwas die Luft raus. Mägen knurren hungrig. Die ersehnte Pause kommt genau richtig.
Christian Fuchs, Gewinner des weltweit ersten Reporter Slams in Hamburg, gibt anschließend noch einmal alles – mit echtem Investigativ-Video-Material und Tabak-Lobbyisten wie aus einem schlechten Verschwörungsroman. Doch fast wirkt es, als würden die Zuschauer*innen nur noch auf Laura Krugenberg warten. Denn Lokalgeschichten mit Flauschfaktor erweisen sich an diesem Abend als Direktverbindung Richtung Publikumsherz. Und Flausch kann Laura. Nuanciert und mitreißend erzählt sie die Geschichte der „Tigerkönigin“ Carmen Zander, die ihre elf Tiger in einem Gewerbegebiet bei Schkeuditz hält. Das war neu, ein Raunen bewegt sich durch die Reihen. „Wusstest du das?“, tuschelt ein Pärchen, das offenbar aus der Gegend kommt. Krugenberg schafft etwas, das über einen gut aufgearbeiteten Recherche-Einblick hinausgeht. Sie zeigt, dass guter Journalismus überall dort stattfinden kann, wo Reporter*innen bereit sind, zuzuhören und unbequem zu werden – auch in Schkeuditz. Als um viertel vor neun die Moderatorin zur finalen digitalen Abstimmung aufruft, scheint die Entscheidung allen leichtzufallen. Krugenberg fährt nach Berlin.
Damit endet ein kurzweiliger Abend im Leipziger Südosten. Der Reporter Slam schafft es, im zunehmend online stattfindenden Mediendschungel, Journalismus wieder nahbar zu machen. Ein absolutes Muss für alle Medienliebhaber*innen, Sonntagszeitungleser*innen und all jene, die nach einem geselligen Abend mit frischem Gesprächsstoff, in den Alltag zurückzukehren wollen. Und einer Musikempfehlung: BULLERBÜ aus dem neusten Album von Musiker JPD.
Titelbild: Rosa Holmer
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