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  • „Juristenfakultät“ in der Kritik – Wie ein Name das Machtgefälle an der Fakultät entlarvt

    Die Debatte um den Namen der Leipziger „Juristenfakultät“ gibt es schon seit Jahren. Doch sie offenbart viel mehr über Sichtbarkeit, Gleichstellung und Macht, als vielen bewusst ist.

    Die Verwendung von politisch korrekter Sprache ist in den letzten Jahren zum ultimativen Reizthema geworden. Debatten um Binnen-Is, „Südseekönige“ und die inklusive Wirkung von Sprache bringen die rechte politische Blase regelmäßig zur Weißglut, lassen die linke politische Blase in einen Geltungsstreit verfallen und werden mit Sicherheit den meisten Leser*innen seit einiger Zeit zum Hals hinaushängen.

    Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, dass in der links-geprägten Leipziger Studierendenschaft die Umbenennung der „Juristenfakultät“ aktuell besonders vehement gefordert wird. Als einzige juristische Fakultät in ganz Deutschland ist sie nicht geschlechtsneutral benannt, sondern bedient sich dem generischen Maskulinum. Dass diese Bezeichnung jedoch aus einer Zeit stamme, in der nur Männer Jura studieren durften, werde dabei gerne vergessen, sagt Carolin Heinzel, die Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät. Auch die Initiative zur Umbenennung der Fakultät, die sich Ende letzten Jahres gründete, schließt sich dem an. Dieser Zusammenschluss aus mehrheitlich Jura-Studierenden – es könnten jedoch alle mitmachen, die wollen – treffe sich in unregelmäßigen Abständen in der Burgstraße 21 mit der zentralen Aufgabe, die Umbenennung voranzutreiben, erklärt Dennis, selbst Teil der Initiative.

    Gegner *innen der Umbenennung merken meistens an, dass es bereits Anfang 2021 eine Onlinebefragung unter den Fakultätsmitgliedern gegeben habe, an deren Ende sich 42 Prozent für die Umbenennung aussprachen und 58 Prozent dagegen. Die Ergebnisse einer Studie, die die damalige Gleichstellungsbeauftragte durchgeführt hat, liegen luhze vor. In ebenjener Umfrage gab mehr als jede zweite Frau* (54,2 Prozent) an, bereits mindestens einmal geschlechtsbezogene Diskriminierung an der Fakultät erlebt zu haben. Konkrete Folgen hätten die Ergebnisse jedoch nie gehabt, meint Heinzel.

    Dennis von der Initiative zur Umbenennung der Fakultät merkt dazu an, dass es für eine Umbenennung ausreichen sollte, dass sich 42 Prozent eben nicht vom Fakultätsnamen vertreten fühlten, gerade weil nicht einmal eine gegenderte sondern nur eine geschlechtsunspezifische Bezeichnung gefordert werde.
    Nun mag das Gefeilsche um den Namen der Fakultät wie Wortklauberei wirken, dem Thema wohnt jedoch eine tiefere Bedeutung inne. Denn die Diskriminierung an der „Juristenfakultät“ aufgrund des Geschlechts lässt sich tatsächlich statistisch untermauern. Während laut dem Gleichstellungsplan der Fakultät mit 61 Prozent ein Großteil der Studierenden weiblich ist, liegt der Anteil weiblicher Promovierender bei gerade einmal 37 Prozent und im Professorium bei 28 Prozent. Dabei liegt Leipzig sogar noch über dem bundesweiten Durchschnitt, was den juristischen Karrierepfad angeht.

    Der Frauenanteil sinkt im Verlauf des juristischen Karrierepfades. Quelle: Deutscher Juristinnenbund

    Missstände gehen über Fakultätsnamen hinaus

    Der Grund dafür könnte darin liegen, dass offene Stellen selten öffentlich ausgeschrieben, sondern meist unter der Hand vergeben würden, meint Heinzel. Ihr Vorschlag wäre, alle offenen Stellen mit eindeutigen, transparenten Anforderungen auszuschreiben, um so Machstrukturen vorzubeugen und mehr Frauen dazu anzuregen, sich zu bewerben, weil diese sich laut Statistiken eher unterschätzen würden.

    Auch der Initiative zur Umbenennung ist wichtig, dass es drängendere Probleme an der Fakultät gibt: So würden Daten zum Geschlecht zum einen immer noch binär erfasst, was andere Geschlechter ausschließe und auf Klausuren müsse man trotz des Matrikelnummer-Systems mit Klarnamen unterschreiben, was zur Diskriminierung gegen marginalisierte Gruppen einlade.

    Gleichstellung weiterhin keine Priorität der Fakultät

    Weder Heinzel noch die Initiative sehen im Professorium ein ausreichendes Bewusstsein für solche Probleme. Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Unrecht mit Recht“ sei im letzten Jahr aus dem Professorium die Äußerung gefallen, dass es kaum Diskriminierung an der Fakultät gebe und unbewusste Diskriminierung überhaupt nicht möglich sei, sondern nur bewusste Diskriminierung existiere Das zeige ein verschobenes Verständnis des Themas sowie eine Ignoranz gegenüber marginalisierten Gruppen, meint Heinzel.

    Gerade an ihrer Funktion, der der Gleichstellungsbeauftragten, könne man viele strukturelle Probleme ausmachen. Die Arbeit, die sie leisten soll und möchte, müsse sie zusätzlich zu ihren normalenerbringen. Eine zentral geregelte Entlastung oder zusätzliche Bezahlung gebe es nicht, auch würden ihr keine extra Räumlichkeiten bereitgestellt, in denen zum Beispiel Beratungen möglich wären. Dabei sei sie für über 100 Mitarbeitende und 3.000 Studierende verantwortlich – es bliebe also vieles auf der Strecke, gerade Workshops, die auch die Fakultät anbieten könnte, was bisher jedoch nicht passiere.

    Aktuell scheitert die Initiative an Unwillen aus dem Professorium

    Eine Umbenennung, von der sich alle Studierenden angesprochen fühlen könnten, hätte für viele symbolische Wirkung, könnte dazu motivieren, Ungerechtigkeiten innerhalb der Fakultät transparent zu machen und abzubauen. Doch woran scheitert die Bestrebung aktuell? In Hintergrundgesprächen erfuhr luhze, dass ein Großteil der Professor*innen den bisherigen Namen schätzen würden, da er ein Alleinstellungsmerkmal unter den juristischen Fakultäten Deutschlands darstelle. Des Weiteren würden die meisten keinen Bedarf nach einer Umbenennung sehen, ihnen wäre der organisatorische und finanzielle Aufwand zu groß und wenige würden sich in der Verantwortung für das Thema sehen. Die Dekanin fasse das Thema nur mit Samthandschuhen an, da sie sich als erste weibliche Dekanin nicht mit einem „Frauenthema“ schmücken wolle. Bis zum Redaktionsschluss war sie für ein Gespräch nicht erreichbar.

    In den Fakultätsrat habe Heinzel das Thema bisher bewusst nicht eingebracht, weil das Professorium dort eine Mehrheit stellt und sie deshalb keine Chance auf eine Mehrheit sieht. Es bräuchte zwei „Abtrünnige“ unter ihnen, vorausgesetzt alle Vetreter*innen der Studierenden und des Mittelbaus stimmen ebenfalls für die Umbenennung.

    Thema soll dauerhaft etabliert werden

    Dennoch bleibt Heinzel optimistisch. In den nächsten Jahren soll die Fakultät in ein neues Gebäude ziehen und eine Umbenennung im Rahmen dessen biete sich an. So könnten alle Akteure ihr Gesicht wahren, auch wenn es gerne schneller gehen könne. Für ihre Stelle wünscht sie sich dennoch so bald wie möglich mehr Unterstützung von offizieller Seite. In Hamburg beispielsweise gebe  es eine feste Stelle für Gleichstellung mit mehreren studentischen Hilfskräften als Unterstützung, dies könne als Vorbild dienen.

    Auch bei der Initiative sieht man sich gewappnet. Innerhalb der letzten Monate habe man daran gearbeitet, breite Forderungen zu formulieren und der Bewegung Struktur zu verleihen, damit das Anliegen im Notfall mehrere Studierendengenerationen überdauern könne, meint Dennis. In verschieden Arbeitsgruppen erarbeite man aktuell nächste Schritte, zum Beispiel im Bereich Mobilisierung und Öffentlichkeitsarbeit.

     

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