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  • „Kultur sollte nicht zum Luxusgut werden“

    Steigende Eintrittspreise und sinkender Andrang: Wie geht es Leipzigs Nachtleben in Zeiten von finanziellen Engpässen? Warum nicht alles schlecht läuft – und was die Zukunft so bereithält.

    Der Freisitz auf dem breiten Bürgersteig der Karl-Heine-Straße ist gut gefüllt. Obwohl es eigentlich noch ein bisschen zu kalt zum Draußensitzen ist, haben sich zahlreiche Grüppchen bei einem Getränk zusammengefunden. Tritt man durch die Tür des Noch Besser Leben, gelangt man in den großen Gastraum, der heute vergleichsweise leer und ruhig ist. Hinter dem langen dunklen Holztresen der Kneipe führt eine Treppe in den kleinen Konzertraum. Der Eintritt ist auf Spendenbasis. Als Bühne dient im Noch Besser Leben ein alter, rot gemusterter Teppich. Darüber hängen ein in die Jahre gekommener Kronleuchter aus braunem Metall und eine große Diskokugel, die sich im warmen Licht dreht. Gleich wird hier ein Konzert starten. Der Raum füllt sich schon langsam. 

    Das Noch Besser Leben und dieser Konzertraum sind fester Bestandteil des Leipziger Nachtlebens und nur einer von vielen Orten, an denen Menschen in Leipzig Musik erleben können. Doch wie steht es um diese Orte in Zeiten von finanziellen Engpässen und dem allseits präsenten Clubsterben?  

    Wer sich ein Bild der aktuellen Lage machen will, stößt schnell auf das LiveKommbinat. Das ist ein Verein, in dem sich einige Clubs und Spielstätten aus Leipzig organisieren und ein Subverband der bundesweit agierenden Livekomm. Mitglieder sind Läden, die eine Kapazität von 2000 Gästen nicht überschreiten, wie zum Beispiel das Noch Besser Leben, Conne Island oder Werk2. Der Verein setzt sich für die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Spielstätten und generell die Förderung von Kunst und Kultur in Leipzig ein. Christoph Schirmer ist Teil des Vorstandes des LiveKommbinats und arbeitet im Booking und der Programmgestaltung der Moritzbastei. „Ich würde gerne davon abkommen, dass es ein tendenzielles Clubsterben gibt“, betont er. „Klar, gibt es immer wieder Probleme, aber es passieren gleichzeitig auch viele schöne Sachen. Es gibt zum Beispiel ganz viele Kollektive, die sich gerade gründen.“ Partys und Events zu veranstalten, sei aber zurzeit mit hohen Kosten verbunden. Das würde sich am Ende auch im Eintritt widerspiegeln. Schirmer erzählt, dass Menschen etwas seltener und dafür gezielter zu Veranstaltungen kämen. „Kultur sollte nicht zum Luxusgut werden“, findet er. 

    Der Musiker betritt nun unbemerkt den Konzertraum im Noch Besser Leben. Er stellt sein alkoholfreies Flaschenbier an einen der beiden kleinen Tische, auf denen schon zahlreiche Instrumente auf ihn warten. Kleine Trommeln, Klangschalen und Triangeln sind zu sehen. Zwischen den Tischen steht ein langes, verkabeltes Bord auf dem Boden. Daneben ein Laptop. Der Musiker checkt nochmal kurz die Einstellungen und murmelt: „Okay, das funktioniert“. Dann hängt er sich eine grüne Gitarre um und ohne weitere Worte zu verlieren, beginnt das Konzert. Zu den Klängen der Gitarre beginnt der Musiker mit den Füßen verschiedene Pedale am Bord zu bedienen, die wiederum die Instrumente auf den Tischchen aktivieren. Der Blick geht konzentriert nach unten, er zupft und tritt und der Raum füllt sich mit vielen verschiedenen Klängen. 

    Auch das privat geführte Tanzlokal Ilses Erika in Connewitz ist Mitglied im Livekommbinat. Auch hier möchte Programmgestalter Christian Feist nicht das große Clubsterben ausrufen. „Wir sind auf einem ganz vernünftigen Weg“, erklärt er. „Es ist ein stetiges Auf und Ab, aber wir versuchen uns nicht von schlechten Phasen demotivieren zu lassen.“ Für Feist wäre regelmäßiges Feedback der Gäste wichtig, um das Programm weiterentwickeln zu können und so auch in Zukunft Gäste anzulocken. So seien in letzter Zeit zum Beispiel immer mehr Hip-Hop-Formate ins Programm aufgenommen worden. „Ich habe gehört, dass es in Leipzig nicht genug Events für Hip-Hop-affine Menschen gibt. Also haben wir erstmal ein Event in der Richtung ausprobiert. Das wurde gut angenommen und so ging das dann weiter.“ Feist ist offen für Ideen und Konzepte von außen und setzt darauf, dass so ein Programm entsteht, was die Menschen auch weiterhin anspricht. „Wenn das funktioniert, braucht man sich keine Gedanken über die finanzielle Zukunft zu machen.“ 

    Anders als Ilses Erika seien aber viele Leipziger Clubs und Spielstätten von Fördermitteln abhängig. Nils Fischer, der Fachbeauftragte für Nachtkultur der Stadt Leipzig, sieht darin langfristig ein Problem.  

    „Das ist eine dramatische Entwicklung, wenn man sich anschaut, dass die öffentlichen Haushalte, aus denen diese Fördermittel kommen, gerade eher schrumpfen als wachsen. Deswegen ist diese große Abhängigkeit von Fördermitteln sehr besorgniserregend.“ Das Kulturamt der Stadt Leipzig wolle nun, zusammen mit dem Amt für Wirtschaftsförderung und dem Nachtrat, das Thema der alternativen Erlösmodelle voranbringen. Dafür gäbe es externe Beratung und entsprechende Workshops. „Wir wollen mit den Betreibenden ins Gespräch kommen, wie sie sich vielleicht anders aufstellen können, ohne dabei ihre Werte zu verkaufen“, so Fischer. 

    Die erste Reihe sitzt im Konzertraum des Noch Besser Leben im Schneidersitz an der Teppichkante und nickt im Takt der Musik. Rauch wird in die Luft geatmet. Ohne Pause geht ein Track in den nächsten über. Unten hat sich derweil der Gastraum gefüllt. Die Tische reichen nicht mehr aus und überall stehen und sitzen Menschen, die ins Gespräch vertieft sind oder eine Runde würfeln. Hier unten sind die experimentellen Klänge und Rhythmen von oben kaum wahrnehmbar. Auf das Konzert weist nur die Lampe an der Decke hin: „Veranstaltung läuft“. 

     

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