Klein, aber fein: Indie-Verlage auf der Leipziger Buchmesse
Unabhängige Verlage kämpfen mit steigenden Kosten und schwindenden Leser*innenzahlen. Wie sie dennoch bestehen-und was Deutschland von Norwegen lernen könnte. Ein Blick hinter die Kulissen.
Wer sich durch die Besucherströme am Eingang und der Glashalle gekämpft und nach Halle 1, auch Halle 3 passiert hat, der stößt auf ein ganz besonderes Juwel der Leipziger Buchmesse: Halle 5 – die Heimat zahlreicher Unabhängiger.
Unabhängige Verlage, auch liebevoll Indie-Verlage genannt, stehen für literarische Vielfalt, verlegerische Freiheit und gesellschaftliches Engagement. Doch mit der Freiheit kommt Verantwortung. Einen finanzstarken großen Bruder – einen Konzern, der sie auffängt, wenn es finanziell schwierig wird – gibt es für sie nicht.
Unabhängigkeit – Fluch oder Segen?
„Unabhängig zu sein bedeutet, dass wir autonom entscheiden können, welche Bücher wir drucken. Niemand schreibt uns vor, was sich ökonomisch lohnt und was nicht“, erklärt Viktor Kalinke, Verleger beim Leipziger Literaturverlag.
Doch Unabhängigkeit bedeutet auch, ohne große finanzielle Rücklagen wirtschaften zu müssen. Während Indie-Verlage meist näher an ihren Autor*innen und Leser*innen sind, müssen sie dennoch marktorientiert handeln. Manche Projekte scheitern schlicht an den Verkaufszahlen: „Wenn wir nicht mindestens 1.500 Exemplare verkaufen können, geht es nicht auf“, bedauert Kalinke.
Steigende Papier- und Druckkosten sowie die sinkende Nachfrage nach Büchern verschärfen die Situation. „Das Medium Buch hat zwar eine gewisse Konjunktur, aber am Ende des Tages gibt es immer weniger Leser“, berichtet der Verleger. Die sinkenden Verkaufszahlen werden oft durch steigende Preise kaschiert, doch das Grundproblem bleibt: „Jedes Jahr verliert Deutschland Millionen potenzieller Leser*innen“, erklärt Kalinke.
Auch der Versand birgt Herausforderungen. Früher gab es in Deutschland vergünstigte Büchersendungen, doch diese wurden seit 2013 schrittweise abgeschafft. Kalinke bemerkt: „Heute kostet der Versand eines einzelnen Buches schnell 2,55 Euro. Bei einem 10-Euro-Buch frisst das den gesamten Gewinn auf.“
Von Fast-Food und Büchern: Wie Crowdfunding Verlagen hilft
Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, bietet Crowdfunding. „Dieses Prinzip ist eigentlich sehr alt. Schon vor 200 Jahren wurden Bücher oft erst dann gedruckt, wenn genügend Vorbestellungen eingegangen waren“, erläutert Kalinke. Heute bedeutet Crowdfunding, dass Autor*innen oder Verlage ihre Buchprojekte auf Online-Plattformen vorstellen und interessierte Leser*innen das Projekt durch finanzielle Beiträge vorab unterstützen können.
Ein positiver Nebeneffekt: Crowdfunding involviert Autor*innen stärker in die Vermarktung. „Viele denken, ihre Arbeit sei mit dem Schreiben beendet. Aber heute müssen sie ihr Buch aktiv bewerben. Crowdfunding hilft ihnen, sich früh mit der Öffentlichkeitsarbeit auseinanderzusetzen“, ist der Verleger überzeugt.
Doch nicht alle Crowdfunding-Plattformen sind für Bücher geeignet. Kalinke betont: „Viele Plattformen haben eine zu kurze Taktung. In drei Monaten muss das Geld da sein, sonst wird das Projekt wieder abgewählt. Aber Bücher brauchen Zeit. Sie sind keine Fast-Food-Produkte.“
Buchpreisbindung, Zwischenbuchhandel, Norwegen
Auch die Politik kann Verlagen und Buchhandlungen unter die Arme greifen. Eine bereits umgesetzte Maßnahme ist die Buchpreisbindung. Sie stellt sicher, dass Bücher überall zum gleichen Preis verkauft werden – egal ob im kleinen Laden um die Ecke oder bei großen Ketten. „Das schafft Chancengleichheit“, erklärt Kalinke..
Doch das Buchhandelssterben schreitet trotzdem voran. Kalinke bestätigt: „Vor 30 Jahren gab es noch 5.000 unabhängige Buchhandlungen in Deutschland, heute sind es nur noch 1.800.“ Ein großes Problem sei die Dominanz des Zwischenbuchhandels. Viele Buchhandlungen beziehen ihre Bücher über wenige große Anbieter, die standardisierte Sortimente liefern. „Das macht Buchhandlungen austauschbar. Früher war es spannend, von Laden zu Laden zu gehen, weil jeder Buchhändler ein individuelles Sortiment hatte“, findet der Verleger des Leipziger Literaturverlages.
Ein Blick nach Norwegen, dem diesjährigen Gastland der Buchmesse, zeigt, was möglich wäre: „Dort kauft der Staat 700 Exemplare jedes veröffentlichten Buchs auf. Das gibt Verlagen Planungssicherheit – und Bibliotheken profitieren ebenfalls. Das wäre ein Traum – in Deutschland sind wir davon leider weit entfernt“, stellt Kalinke ernüchtert fest.
Zwischen Magie und Mängeln
Die Leipziger Buchmesse ist für unabhängige Verlage weit mehr als eine Verkaufsveranstaltung. „Man kennt sich. Die Szene ist sehr überschaubar. Die Buchmesse ist für uns ein Familientreffen“, beschreibt Kalinke die Atmosphäre.
Doch es gibt auch Kritik – etwa an der Platzierung der kleinen Verlage in Halle 5. Gerade am besucherstärksten Tag, dem Samstag, verirren sich weniger Besucher:innen dorthin. Gut für die Luftqualität – schlecht für den Umsatz.
Und dennoch: Trotz Gedränges, blauer Flecken, Toilettenschlangen und müder Beine, kommt in den Messehallen dieses wohlig-warme Gefühl auf, das Orte voller Bücher so oft ausstrahlen. Und tatsächlich bekommt man eine Ahnung davon, was Kalinke meint, wenn er die Messe als Familientreffen beschreibt. Was alle hier eint – Besucher*innen wie Aussteller*innen gleichermaßen – ist die Liebe zu Büchern. Vielleicht ist es gerade diese Leidenschaft, die, trotz all der Herausforderungen des unabhängigen Verlegens, den Reiz daran ausmacht: Ein Leben unter Büchern, ganz nah an anderen Buchliebhaber*innen.
Artikelfoto: Leipziger Messe GmbH / Tom Schulze


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