• Menü
  • Kolumne
  • Ein Zug in Richtung Hass

    Es ist passiert: Die AfD hat in Thüringen die meisten Stimmen gesammelt. Kolumnistin Isabella hat Angst davor, wohin das führen wird.

    Eine Woche ist seit der Landtagswahl in Sachsen und Thüringen vergangen, und immer noch kann ich es nicht fassen. Wie konnte es passieren, dass eine rechtsextreme Partei in einem deutschen Bundesland stärkste Kraft geworden ist? Zweitstärkste in einem weiteren – nur knapp hinter der CDU, deren Mitglieder teilweise kaum von denen der AfD zu unterscheiden sind, und die wie kaum eine andere Partei die AfD-Narrative aufgreift und so normalisiert? Kein Jahrhundert ist seit dem Zweiten Weltkrieg, seit den Morden der Nationalsozialisten vergangen. Haben wir so schnell alles vergessen? Haben wir nichts gelernt aus der Geschichte? „Nie wieder!“, rufen die wenigen Menschen, die sich noch an den Holocaust erinnern können, und müssen doch zusehen, wie Rechtsextremisten wieder an Macht gewinnen. Und ich frage mich: Hat es sich damals auch so angefühlt? Haben auch damals Menschen hilflos zugesehen, wie Hass und Hetze sich in der Gesellschaft breit machten? Oder war das alles damals so „normal“, dass sich – zumindest am Anfang – niemand große Sorgen gemacht hat? Heute mache ich mir Sorgen. Wenn nach einem Weltkrieg und Millionen von Morden immer noch Menschen bereit sind, Rechtsextremisten zu wählen, wie soll dieser Horror dann jemals ein Ende finden? Ich wünsche mir eine Gesellschaft ohne Nazis. Ich fürchte, dass es sie niemals geben wird.

    Trotz aller Angst wird die AfD Kolumnistin Isabella nicht das Lächeln aus dem Gesicht wischen.

    Viele sagen, sie wählen die AfD, weil sie enttäuscht von den anderen Parteien sind. Von der Bundesregierung. Ich will ehrlich sein, ich bin auch enttäuscht von der Bundesregierung. Niemand würde wohl behaupten, dass in Deutschland alles perfekt läuft. Aber wie kann man es für die richtige Lösung halten, Rechtsextremisten zu wählen? Wie kann man behaupten, dass Hass, Gewalt, Diskriminierung und Demokratiefeindlichkeit unsere Probleme lösen könnten? Wie kann man eine Partei wählen, deren einziges politisches Programm darin besteht, alle Menschen auszuschließen, die ihr nicht gefallen? Abgesehen davon, dass viele Menschen die AfD eben nicht nur aus Enttäuschung und Protest wählen, sondern aus Überzeugung.

     

    „Nie wieder ist jetzt“, heißt es auf vielen Plakaten, und trotzdem passiert es eben doch wieder. Wie lange werden sich andere Parteien noch weigern, mit der AfD zu koalieren? Wie lange noch, bis die CDU einknickt? Vielleicht wird es nie passieren. Vielleicht schon in den nächsten paar Jahren. Die bloße Möglichkeit sollte gar nicht bestehen. Unsere Geschichte bürdet uns eine besondere Verantwortung auf. In keinem Land, aber schon gar nicht in Deutschland, sollten Rechtsextremisten auch nur genug Stimmen erreichen, um in irgendein Parlament einzuziehen. Aber dieser Zug ist seit Jahren abgefahren, und jetzt rast er unaufhaltsam in eine Mauer des Hasses hinein. Und wir sitzen als einsame Passagiere auf unseren Plätzen und schauen zu, weil Demokratie paradoxerweise auch bedeutet, dass Menschen demokratiefeindliche Parteien wählen dürfen.

    Ich wünsche mir, dass diese Hölle aufhört. Ich wünsche mir, dass ich übertreibe und dass das alles gar nicht so schlimm ist, wie es sich anfühlt. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass wir die AfD den Zug erst komplett gegen die Wand fahren lassen müssen, bevor wir wieder das Steuer übernehmen können. Und das hasse ich.

    Foto: Isabella Klose

     

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.

    Verwandte Artikel

    Weiß, normal, hetero? – Nicht in Leipzig!  

    Nachdem sich Akteure zu einem Gegenprotest gegen den CSD angekündigt hatten, war die Angst groß, dass sich ähnliche Szenen wie in Bautzen abspielen könnten. luhze-Redakteur*in Jo war vor Ort beim CSD.

    Reportage | 4. September 2024

    „Ein geglückter Versuch, diese Menschen kennenzulernen“

    Vor den Landtagswahlen tourt das Katapult-Team durch Sachsen, Brandenburg und Thüringen, um ein neues Magazin zu verteilen. luhze hat mit Magazin-Gründer Benjamin Fredrich über das Projekt gesprochen.

    Interview | 30. August 2024