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  • Wie ging nochmal Studieren?

    Lässt sich studieren verlernen? Kolumnist Leen erzählt von seiner längeren Studiumspause und den damit einhergehenden Hürden.

    Einmal kurz durchatmen, die Blätter nochmal sortieren, eine To-Do Liste anfertigen. Die Illusion vom Überblick. All das, während ich versuche die aufkommenden Tränen in meinen Augen wegzublinzeln. Die Hälfte des Semesters krankgeschrieben gewesen zu sein, obwohl ich ansonsten schon Probleme mit Anwesenheit habe, hat noch einen draufgesetzt.  

    Ich versuche mir zwischendurch Pausen zu erlauben.

    Noch einige Tage, bis die Lehrveranstaltungen in meinem vierten Semester starten, noch zwei Wochen zu meinen beiden Nachschreibeprüfungen. Studierende mit psychischen Problemen kennen die Leier sicherlich. Es kann schwierig sein morgens überhaupt aufzustehen, schwierig sein sich zur Uni zu raffen, schwierig sein aufzupassen und den Stoff zu lernen. Das kenne ich schon seit der Schule, es war nichts Neues für mich damals zum Uni Start, ich bekam mich immer irgendwie durch. Ich habe geschafft was ging, auf Krampf am Ende gelernt, mir Hilfe geholt, wo ich konnte. 

    Im letzten Semester stand ein Aufenthalt in der Tagesklinik für mich an. Wieso ich mir das mitten in die Vorlesungszeit gelegt habe? Ich war auf einer Warteliste und hatte leider nicht den Luxus, zu sagen: „Hey ne sorry Leute, das passt mir gerade gar nicht, ruft bitte in zwei Monaten nochmal an!“ So wurde meine sowieso schon unregelmäßige Anwesenheit gleich null und da ich keinen Anschluss in meinen Kursen habe, musste ich es mir mithilfe von Moodle zusammenkratzen. Aber auch das erst, als der 3-monatige Aufenthalt Mitte März endete. Ich konnte mir selbst nicht ausmalen, was für eine mentale aber seltsamerweise auch körperliche Anstrengung es braucht, jeden Wochentag von 7 Uhr früh bis 16 Uhr Therapie zu haben. Für Uni war da gar kein Kopf. Erst mal das hier durchstehen, erst mal auf mich konzentrieren, waren in etwa meine Gedanken. So sitze ich jetzt also hier mit meinen Arbeitsmaterialen zu Polnisch und Tschechisch (wer hat sich ausgedacht, diese zwei Module im selben Semester vorzugeben?) und versuche mir noch zig Grammatikregeln anzueignen. Und bloß nichts vertauschen!  

    Ich denke, viele kennen die Aufregung vor dem neuen Semester. Für mich ist sie besonders groß wenn das Sommersemester ansteht. Der Frühling weckt die Welt um alle herum auf, die Lebendigkeit und die Farben kehren zurück. Ein krasser Stimmungsheber für mich persönlich. So keimt die Hoffnung, die Motivation, aber damit kommt leider auch der starke Leistungsanspruch wieder um die Ecke gekracht. Und dazu noch die 3 Monate Tagesklinik, die mich aus meinem vorherigen Alltag und somit auch Unileben gerissen hat. Als würde ich mir ein Kartenhaus aufgebaut haben, das dann plötzlich zusammenbrach.  

    Ja, sicherlich sind die einzelnen Karten nun stabiler, aber jetzt müssen sie irgendwie auch anders zusammengesetzt werden. Wie starte ich mein Semester, wenn ich mich fast schon so fühle, als würde ich studieren verlernt haben und alle um mich herum erwarten, dass ich ganz gewohnt weitermache? Oder erwarte ich das nur von mir selbst? 

     

    Fotos: Leen Neumann

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