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  • Streiten als Berufsbezeichnung

    Kolumnistin Hannah nimmt euch mit auf eine Reise durch den Trash-TV-Kosmos und beleuchtet dabei Abgründe und Schattenseiten.

    Da das Dschungelcamp seit vergangenem Freitag wieder läuft, dachte ich, es ist Zeit, meine Hassliebe zum Trash TV zum Ausdruck zu bringen. Von Dating- über Paartherapieformaten bis hin zur „Crème de la Crème“, wie das Dschungelcamp und Big Brother, all das ist Teil des Trash-TV-Kosmos. In letzter Zeit habe ich mich häufiger gefragt, warum wir diese Formate konsumieren. Im Prinzip schauen wir dort anderen Menschen nur beim Streiten und Leiden zu. Wie bei True Crime entsteht der Eindruck, dass wir viel zu gerne an moralisch verwerflichen Inhalten teilhaben. Zwar werden bei Trash-TV-Formaten keine Straftaten begangen, trotzdem schauen wir den Menschen liebend gern beim Diskutieren, Lästern und Essen von Tierextremitäten zu.

    Mitzuerleben, wie sich Menschen in solchen Ausnahmezuständen verhalten, scheint also sehr interessant für die Zuschauenden zu sein. Aber vielleicht ist es auch nur der Reiz, andere zanken zu sehen, ohne selbst involviert zu sein. Ich habe versucht mich zu reflektieren. Warum schaue ich Trash TV überhaupt so gerne? Besonders interessant an diesen Shows ist für mich das Verhalten und die Reaktion der Teilnehmenden in Extremsituationen. Durch herausfordernde Spiele und Aufgaben entsteht eine sich stetig verändernde Dynamik.

    Von der ersten Minute kann man sehen, wie sich die anfänglich fremden Menschen einander annähern und Freund- oder Feindschaften knüpfen. Auch beim Dschungelcamp sind wieder viele Personen dabei, die sich nicht kennen. Dadurch ist man hautnah dabei, wenn sich Gruppendynamik bildet. Ich glaube, vor allem das ist ausschlaggebend dafür, warum ich die Sendung bis zum Schluss verfolge. Ein anderer wichtiger Punkt ist sicherlich, dass man nicht nachdenken muss und sich einfach berieseln lassen kann.

    Portraitbild Hannah Kattanek; schwarz-weiß

    Voller Vorfreude auf die erste Folge.

    Dennoch ist es wichtig, das Dschungelcamp mit genügend Abstand zu betrachten. Viele Bilder, die produziert werden, sind problematisch. Oft wird beispielsweise mit Geschlechterrollen gespielt und Gesagtes nicht eingeordnet. Das fällt auch in Dating-Formaten auf, die häufig veraltete Rollenbilder vermitteln. Dieses Problem wird dann dem jeweiligen Format zur Last gelegt. Grenzwertige Äußerungen müssen von der Produktion und dem Sender eingeordnet werden.

    Allerdings sollten die Zuschauenden auch stets von sich aus Meinungsäußerungen erkennen und reflektieren. Die Teilnehmer*innen haben unterschiedliche Meinungen und politische Standpunkte, so wie du und ich auch. Sie spiegeln in gewisser Weise das Meinungsspektrum unserer Gesellschaft wider. Und so wie im realen Leben stimme ich dort nicht mit allen Meinungen überein. Schwierig wird es, wenn extreme Meinungen unreflektiert wiedergegeben werden.

    All das sind Gründe, warum ich zwiegespalten gegenüber Trash TV bin. Nicht nur, dass wir Menschen beim Streiten zusehen und uns daran erfreuen, wir sehen den Teilnehmenden auch dabei zu, wie sie psychische Gewalt erleben müssen. In Gruppen kann es geschehen, dass eine Person ausgeschlossen und psychisch fertig gemacht wird. Und besonders hierbei fehlt es den Produktionen an Sensibilität. So leben die Sendungen teilweise von diesen Streitigkeiten und es wird ohne Rücksicht weiter draufgehalten.

    Auch bei mir ist dann der Moment erreicht, an dem ich diese Formate nicht mehr schauen kann. Es ist schade, dass bei psychischer Gewalt in den Shows selten eingeschritten wird. Ich befürchte, dass manche Menschen die psychische Gewalt in ihr Leben übernehmen und sich durch die Formate bestätigt fühlen. Genau das ist der Knackpunkt, weshalb ich Trash TV durchaus kritisch betrachte, auch wenn ich es selbst konsumiere. Also mal abwarten, wie lang ich dieses Jahr das Dschungelcamp schauen kann.

     

    Fotos: Hannah Kattanek

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