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  • Highfield – Hitze, Musik und Moshpits

    Über 35.000 Besucher*innen feierten trotz Temperaturen jenseits der 30 Grad am Störmthaler See bei Leipzig. luhze-Autor*in Jo Fedelinski war dabei.

    Um kurz vor 10 Uhr startet der erste Shuttle-Bus vom Leipziger Hauptbahnhof. Nach etwa dreißig Minuten erreicht er das Festivalgelände und direkt kommt die eine Frage auf, die sich durch das gesamte Wochenende ziehen wird: „Wo muss ich hin?“ 

    Nicht nur mir geht es so. Fragende Blicke wandern von einem kleinen, kastenförmigen Bau auf der einen zu einem baugleichen Kasten auf der anderen Straßenseite. Keine Ausschilderung, wie ich zum Check-In komme und wo dieser sich überhaupt befindet. Als ich ihn endlich finde, geht es ganz schnell, bis ich mein Bändchen bekomme und wieder verwirrt auf den Lageplan schaue. Ich frage bei der Security nach, wo es zu meinem Camp geht. Sie zeigen mir die Richtung, doch nach etwa der Hälfte des Weges werde ich von ihren Kolleg*innen zum Umkehren gedrängt. Kein Durchlass. Als die Person, die mich dort entlang geschickt hat, davon erfährt, schüttelt sie nur genervt mit dem Kopf. Absprachen funktionieren hier nicht so wie gedacht. Entschuldigend zeigt sie mir einen anderen Weg. Deutlich länger, aber zumindest werde ich nicht schon wieder zum Umkehren gezwungen. Auf dem Weg finde ich das erste und einzige wegweisende Schild auf dem gesamten Gelände: „Beach“ hängt in großen Lettern über dem Weg zur Strandstage. Nach etwa einer Stunde erreiche ich mein Camp und kann mit dem Aufbau meines Zeltes beginnen.  

    Danach geht es daran, das Festivalgelände zu erkunden. Das Pressezelt ist schnell gefunden. Hier werde ich in den nächsten Tagen sehr viel Zeit verbringen. Der Rest ist recht überschaubar: die beiden Stages, hier und da ein paar Fressbuden, Trinkwasserbrunnen und am gegenüberliegenden Ende ein Riesenrad, von dem man einen wunderbaren Überblick über das gesamte Festival hat. 

    Das Festival beginnt für mich mit den beiden Punk-Urgesteinen Pennywise und Dropkick Murphys, die ich beide zum ersten Mal live erlebe. Ab den ersten rauen Klängen der verzerrten Gitarren, blende ich den Stress der Anreise aus und kann einfach genießen. Und spätestens als Pennywise ein Cover des Nirvana-Songs ‚Territorial Pissings‘ anstimmen, gehe ich voll in der Festivalstimmung auf.  

    Toni wird auf die Schultern genommen

    Auf dem Highfield-Festival. Foto: Jo Fedelinski

    Danach bin ich erstmal fertig. Ich suche mir etwas zu essen und gehe dann zum Camp zurück. Obwohl ich mich sehr auf K.I.Z. gefreut hab, verschlafe ich den Headliner.  

    Der nächste Morgen beginnt mit einem Kaffee bei meinen Campnachbar*innen. Diese sind extra aus Baden-Württemberg angereist, um das Festival zu genießen. Begeistert erzählen sie mir vom K.I.Z.-Auftritt der letzten Nacht und von ihrer Vorfreude auf die Bands des kommenden Tages. Gemeinsam gehen wir uns am nahegelegenen Strand des Störmthaler Sees abkühlen, bevor ich mich auf eine kleine Tour über die Campingplätze begebe. 

    Zurück auf dem Festivalgelände gibt es am Eingang eine kurze Diskussion. Einer vom Security-Team will mich nicht aufs Festivalgelände lassen, weil ich kein grünes Festivalbändchen wie die anderen Besucher*innen habe, sondern nur ein orangenes für die Presse. Wie auch am Vortag laufen die Absprachen untereinander wunderbar. Nach einer Rücksprache mit seinen Kolleg*innen lässt er mich endlich aufs Gelände.  

    Bei Emil Bulls begebe ich mich in meinen ersten Moshpit auf dem Highfield. Die Stimmung ist trotz der Hitze ausgelassen. Völlig verschwitzt kehre ich ins klimatisierte Pressezelt zurück, um mich etwas abzukühlen, bevor Sondaschule spielen. Die Gruppe ist kurzfristig für Anti-Flag eingesprungen, die sich vor kurzem aufgrund von Missbrauchsvorwürfen gegenüber Sänger Justin Sane aufgelöst hatten. 

    Publikumsmagnet ist dieses Jahr unter anderem Tokio Hotel. Von der Seite schaue ich etwas zu. Der komplette Bereich vor der Blue Stage ist voll. „Ganz okay“, denke ich. Ist halt nicht meine Musik. Auch die Meinungen der restlichen Festivalgänger*innen gehen weit auseinander. Ein oberkörperfreier Mann aus der Menge brüllt homophobe Beleidigungen und kommentiert den Kleidungsstil der zwei Brüder mit „Die sehen voll schwul aus“, woraufhin sich andere Besucher*innen lautstark über ihn echauffieren und ihn zur Zurückhaltung mahnen. Eine andere Besucherin erzählt mir, dass sie sehr enttäuscht über den Auftritt war. „Sie haben viel zu viele neue Songs gespielt. Nur gegen Ende lief eines der älteren Stücke, ‘Durch den Monsun’, und auch da haben sie nicht wirklich performt, sondern den größten Teil vom Publikum singen lassen.“ Andere zeigen sich deutlich begeisterter und hätten sich Tokio Hotel als Headliner gewünscht.  

    Überraschungshits des Highfields waren für mich eindeutig Giant Rooks und Kaffkiez. Beides deutsche Indie-Bands und damit ein Genre, mit dem ich eigentlich nicht so viel anfangen kann. Von Giant Rooks kannte ich vorher nur einen einzigen Song, von Kaffkiez hatte ich noch nie etwas gehört. Umso spannender ist es, diese Bands live zu erleben, die eigenen Vorurteile abzulegen und sich einfach der Feierlaune und der energetischen Stimmung hinzugeben. 

    Kaffkiez

    “Kaffkiez” war eine der Überraschungen. Foto: Antonia Bischoff

    Der große Abschluss des zweiten Tages sind Die Ärzte. Trotz einiger Zwischenfälle und eines kurzen Regenschauers performen sie knapp zwei Stunden. Danach ist aber noch nicht Schluss. Auf einer Bühne außerhalb des eigentlichen Konzertgeländes läuft die After-Show-Party bis in die frühen Morgenstunden hinein.  

    Mein Highlight des gesamten Festivals ist der Auftritt der thüringischen Death-Metal Band Heaven Shall Burn. Trotz mehrerer Füße von Crowdsurfern im Gesicht ist die Stimmung in der ersten Reihe ungebrochen. Für die Band ist dies der glorreiche Abschluss ihrer Tour, den die Menge mit einem riesigen Moshpit und einer Wall of Death zelebriert. Bei einer Wall of Death wird häufig auf Ansage der Band das Publikum in zwei Lager aufgeteilt, die sich gegenüber aufstellen. Auf das Startsignal hin rennen beide Teile aufeinander zu.  

    Moshpits 

    Moshpits sind Kreise im Publikum, in denen die Zuschauer tanzen und sich dabei gegenseitig anrempeln und wegstoßen. Sie sind seit Jahren nicht mehr ausschließlich im Metal- oder Punk-Genre anzutreffen. Auch in den Hip Hop- und Indie-Bereich haben sie es geschafft und sind weit auf dem Highfield verbreitet. Dort geht es oft auch etwas rauer zu, doch gibt es normalerweise immer den Konsens, niemanden absichtlich zu verletzen und bei Stürzen zu stoppen, der Person aufzuhelfen und dann gemeinsam weiterzufeiern. 

    In einige begebe ich mich selbst hinein, wobei die Erfahrungen dabei sehr stark variieren. Neben kleineren und angenehmen Pits, in denen die Menschen trotz Feierwut aufeinander Acht geben, gibt es auch unschöne Vorfälle. Ganz besonders negativ fällt mir die Crowd der Punk-Rap Band „Swiss & Die Andern“ auf. Oberkörperfreie und oft angetrunkene „Möchtegern-Macker“ treffe ich in jedem Pit an. Nur dominieren sie hier und haben ihren Spaß auf Kosten aller anderen. Nach dem dritten und vierten Ellenbogen und ganz viel Fremdschweiß im Gesicht muss ich raus. Nicht einmal die Hälfte des Sets ist vorbei, doch ich halte es einfach nicht mehr aus. Die Security schaut dabei tatenlos zu. Dass Rücksichtnahme möglich ist, beweisen unter anderem die Genre-Kollegen von Adam Angst. Hier moshten ohne Zwischenfälle alle miteinander, Rollstuhlfahrer*innen inklusive. Gegen Ende kommt sogar Sänger Schönfuß in die Crowd und performt den vorletzten Song zusammen mit einer Person im Rollstuhl in der Mitte des Moshpits.  

    Und auch Rapper Disarstar ist sich des Problems bewusst, dass Rücksichtnahme gerade von betrunkenen Männern als nicht so wichtig erachtet wird. Deshalb lässt er bei seinem letzten Song einen Kreis explizit nur für weiblich gelesene Personen aufmachen. Verbunden mit der Ankündigung, den Song so oft wie nötig zu unterbrechen, falls sich doch Männer in diesen Kreis begeben sollten.  

    Hitze 

    Das größte Problem des Festivals ist wohl die Hitze. Seit Wochen ist bekannt, dass es am Highfield-Wochenende unglaublich heiß werden soll. Umso unverständlicher ist es für mich, dass die Veranstalter*innen scheinbar kaum Vorkehrungen getroffen haben. Ja, es gibt kostenlose Trinkwasserbrunnen für alle, jedoch kaum Schatten auf dem Gelände. Dieser begrenzt sich auf einige Bänke unter Sonnenschirmen oder unter den wenigen Bäumen. Die einzigen klimatisierten Bereiche sind das Presse- und ein Teil des VIP-Zeltes. Alles nicht genug für die fast 35.000 Besucher*innen. Ein paar mehr Sonnensegel und mehr klimatisierte Bereiche sollten zum Schutze aller beim nächsten Mal möglich sein.  

    Das Highfield ist vor allem musikalisch ein besonderes Erlebnis voller diverser Acts aus einer breiten Palette von Genres. Die Stimmung trüben oft betrunkene und rücksichtslose Menschen und die mangelhaften Abkühlungsmöglichkeiten auf dem Gelände. Ob ich dem Festival im nächsten Jahr einen erneuten Besuch abstatten werde, muss ich mir noch überlegen. 

     

    Titelbild: Die Band “Tokio Hotel”; Antonia Bischoff

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