„Obwohl es schlimme Zeiten gab, gab es auch Schönes in Leipzig“
Die Rapperin Nashi 44 hat zwei Jahre lang in Leipzig gelebt, bevor sie ihre Zelte abbrach und wieder nach Berlin gezogen ist. Am 1. April kehrte sie in ihre Studienstadt zurück.
Seit 2021 ist die Newcomerin Nashi 44 mit ihrer Debütsingle „Aus der Pussy“ nun auch offiziell Teil der deutschen Hiphop-Szene. Unter dem Namen „Asia Box“ erschien letztes Jahr dann ihre erste EP. In den Texten der Rapperin geht es vor allem um antiasiatischen Rassismus und Sexismus. Aber auch um Leipzig. In Berlin-Neukölln aufgewachsen, zog es Nashi 44 2018 nämlich für ein Jazz- und Popgesang-Studium an die Hochschule für Musik und Theater (HMT). Das brach sie aber ab und kehrte 2020 nach Berlin zurück. Mit luhze-Redakteurin Sarah El Sheimy hat sie über die Gründe dafür gesprochen und darüber, wie es ist, drei Jahre später wieder in Leipzig aufzutreten – diesmal zusammen mit Frittenbude.
luhze: Hast du in Neukölln wieder eine Wohnung gefunden?
Nashi 44: Nee, ich bin in Lichtenberg. Aber ist okay. Lichtenberg erinnert mich manchmal an Leipzig.
Warum überhaupt Leipzig?
Damals hieß es: Leipzig ist das neue kleine Berlin. Außerdem wollte ich unbedingt Gesang studieren. In Leipzig gab es diese Kombination aus Jazz- und Popgesang. Ich hatte auch in anderen Städten vorgesungen, wurde in Weimar und Leipzig genommen und habe mich dann für Leipzig entschieden, weil es keine ganz so kleine Stadt ist. Und es soll ja wie Berlin sein – was es nicht ist, nach meinen Erfahrungen.
Dein Studium an der HMT hast du aber abgebrochen und bist wieder zurück. In deinem Song „Virus in der DNA“ heißt es sogar „Mein Leben in Leipzig ist wie ein Alptraum.“ Was war los?
Es kamen viele Sachen zusammen. Wenn man in eine neue Stadt zieht, lernt man Leute kennen und hat immer wieder dieselben Gespräche: „Wer bist du? Was machst du? Wo kommst du her?“ Da kamen oft diese Alltagsrassismus-Situationen auf. Ich habe auch mal um sieben Uhr morgens an der Tramhaltestelle mein Frühstücksbrot gegessen, da hat mich eine ältere Dame angesprochen: „Gu-ten Ap-pe-tit. Das sagt man hier so, verstehen Sie das?“ Also so richtig sinnloser Rassismus. Auch in der Hochschule gab es oft Situationen, in denen ich unnötigerweise Rassismus- und Grundsatzdiskussionen führen musste. Gesangsunterricht ist sehr oft Einzelunterricht: Du kannst nicht einfach in der Gruppe untergehen, wenn du keinen Bock hast. Du bist da, musst präsent sein, dich mit der Person auseinandersetzen und dich menschlich auch irgendwie verstehen. An der HMT gab es auch gar keine Rassismus-beauftragte Person, was alles noch schwieriger gemacht hat. Ich habe versucht, solche Fälle zu melden oder zumindest zu sagen: „Können wir da nicht irgendetwas tun, damit wir alle auf denselben Stand kommen?“ Da war die Gleichstellungsbeauftragte selbst überfordert. Dann kam auch der Lockdown. Das heißt, ich konnte sowieso nicht richtig studieren, weil man nicht an die Hochschule konnte. Wir hätten über Whatsapp- oder Zoomcalls Gesangsunterricht haben können. Das hat für mich gar keinen Sinn gemacht. Ich wollte schon immer meine eigenen Songs schreiben, veröffentlichen und performen und habe dafür im Studium ein bisschen zu wenig Raum bekommen. Es ist einfach viel passiert. Deswegen habe ich den Entschluss gefasst, mein Studium abzubrechen und zurück nach Berlin zu ziehen.
Wie divers ist die HMT aufgestellt?
Das Lehrpersonal waren hauptsächlich weiße cis Männer. Nur im Fach Gesang gab es ein paar cis Frauen. Das ist schon wieder voll das Klischee. Die waren alle durchweg weiß. Das ist halt absurd, weil es Jazz ist. Da fehlt der Umgang damit, wo die Musik herkommt, von welchen Menschen wir diese Musikkultur lernen. Es war ein bisschen grotesk, über Rassismus zu reden, wenn du dann denkst: „Diese Musik kommt aus der Schwarzen amerikanischen Musikkultur.“ Aber anderes Thema. Die Studierenden waren diverser aufgestellt.
An Weihnachten bist du trotzdem beim Conne Island X-Mas Jam in Leipzig aufgetreten. Wie hat die Stadt sich verändert?
Es war das erste Mal, dass ich in Leipzig aufgetreten bin, seitdem ich weggezogen bin. Das war voll krass. Das habe ich an dem Abend auch mit dem Publikum geteilt: Dass es mir sehr schwerfällt, weil es schon auch triggernd ist. Obwohl es schlimme Zeiten gab, gab es auch Schönes in Leipzig.
Zum Beispiel?
Ich bin zum Beispiel voll gerne in verschiedene Clubs gegangen, in denen eine gewisse Awareness herrschte. Auch den Zusammenhalt der BIPoC-Community innerhalb Leipzigs fand ich besonders schön. Es gab so viele Treffen und Events, bei denen fast immer dieselben Leute waren und wo so ein richtiges Community-Gefühl aufgekommen ist. In Berlin verläuft sich das sehr schnell, weil es hier sehr viele kleinere Untergruppierungen gibt und die Stadt einfach mega busy ist. In Leipzig fand ich das voll schön und das hat mir am Anfang sehr geholfen, den Mut zu finden, meine Songs auch rauszubringen.
Hast du dich in Leipzig zum ersten Mal mit deiner BIPoC-Identität auseinandergesetzt?
Auf politischer Ebene: ja. In Berlin gibt es sehr viele BIPoC. Viele, die sich nicht politisch engagieren, und andere, die sich damit auseinandersetzen. In Leipzig war es besonders, dass die meisten eine politische Awareness hatten und sich eingesetzt haben.
Aber nicht besonders genug, um hier zu bleiben.
Es war für die Zeit auf jeden Fall gut so.
Bist du schon während deines Studiums in Leipzig aufgetreten?
Meinen ersten Rapsong „Aus der Pussy“ habe ich im Rahmen des Studiums im Horns Erben mit Liveband performt. Das war geil. Auch in der Moritzbastei habe ich gesungen. Dann habe ich so Singer-Songwriter gemacht nebenbei, da bin ich irgendwo am Hauptbahnhof in einem Pizzaladen aufgetreten, der so ein bisschen fancy ist. Ich weiß auch noch, dass ich auf einer Soliparty aufgetreten bin. Da habe ich gerappt. Es waren viele Auftritte.
Am 1. April hast du wieder in Leipzig performt, diesmal zusammen mit der Band Frittenbude.
Ja, das hat sich zufällig ergeben, über meine Booking-Agentur, aber ich habe mich mega gefreut. Frittenbude gibt es ja schon richtig lange, ich glaube seit über 10 Jahren. Ich habe mit meiner besten Freundin darüber gesprochen und sie hat mir ein Lied vorgespielt und meinte, dass sie es damals die ganze Zeit gehört hat. Und ich war so: Geil, ich hab‘ das auch schonmal gehört.
Du hast nicht nur Musikwissenschaft, sondern auch Asien- und Afrikawissenschaften studiert. In deinen Texten rezipierst du Opern und Filme – wie intellektuell ist deine Musik?
1.000 Prozent intellektuell! (lacht) Das ist ja relativ. Ich hab‘ manchmal schon den Anspruch, dass es um ein paar Ecken gedacht ist. Deswegen gebe ich mir Mühe, dass es zum Beispiel Referenzen zu Madame Butterfly, einem Film oder Metaphern gibt, wo du ein bisschen drüber nachdenken musst. Weil ich selber einfach ein sehr nachdenklicher Mensch bin. Wenn das intellektuell rüberkommt, freut mich das. Aber ich will schon, dass so viele Menschen wie möglich meine Musik verstehen, und das geht meistens, indem man sich sehr einfach ausdrückt.
Intellektuell und verständlich – was ist noch besonders an deiner Musik?
Ich beschreibe es immer als Asian Berlin Pussy Conscious Rap. Es ist Conscious Rap, weil es um sozialpolitische Themen geht. Aber gleichzeitig Pussy Power, so ein bisschen Bad Ass Attitude, diese rotzige, direkte – du kannst sagen Berliner Art – unverblümte Wortwahl. Und Asian Berlin ’cause that’s me.
Deine erste EP kam letztes Jahr. Wann können wir mit deinem ersten Album rechnen?
(lacht) Okay chill‘ mal – pressure is on. Album weiß ich nicht, keine Ahnung. Ich schreibe auf jeden Fall gerade neue Songs und die werden hoffentlich bald rauskommen. Ich finde, ein Album ist so was Krasses. Ich würde mich gerne nochmal ein bisschen ausprobieren.
Inwieweit hängt das auch mit deiner Förderung zusammen?
Voll! Ich habe das Glück, dass ich für meine nächsten Songs auch wieder von der Initiative für Musik gefördert wurde. Deswegen kann ich aber auch nie sagen, was danach passiert. Ich habe ja kein Label. Also ist es immer davon abhängig, ob ich nochmal gefördert werde und wieviel Zeit und Energie ich aufwenden kann, um diesen Förderantrag zu schreiben. Weil der ist schon sehr umfangreich.
Wie planst du, da rauszukommen?
Ich denke mal, irgendwann macht es schon Sinn, mit einem Label zusammenzuarbeiten. Wenn sie das dann übernehmen für mich. Falls dir noch ein anderer Weg einfällt, sag‘ Bescheid!
Foto: Hai Anh Pham


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