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  • Nazis entschieden entgegentreten – oder doch nicht?

    Am Montag, den 30. Januar, brachten mehrere tausend Menschen den Leipziger Ring zum Leuchten. Ein Protest gegen Ausgrenzung und rechte Aufmärsche setzt ein weniger deutliches Zeichen.

    Mit Schirmen und Taschenlampen sollte gegen Diskriminierung und Unterdrückung protestiert werden. Gegen Querdenker*innen und Faschist*innen, die wie so oft montags um den Ring spazierten. Exakt 90 Jahre zuvor wurde Hitler zum Reichskanzler von Deutschland ernannt, was die Machtergreifung der Nationalsozialisten einleitete. „Leipzig leuchtet für Demokratie und Menschenrechte“ erinnerte an diesem besonderen Datum daran, dass demokratische Offenheit und ein friedliches Zusammenleben nicht selbstverständlich sind. „Viel zu häufig werden junge Menschen in ihrem Protest gegen Neonazis alleingelassen“, heißt es auf der Website der Veranstaltung. Hinter diesen antifaschistischen Aufruf stellte sich ein breites Bündnis. Unter anderem die hiesige Fridays For Future Ortsgruppe, der Betriebsratsvorsitzende der BMW Group Leipzig, sowie die Fußballvereine BSG Chemie Leipzig und FC Lokomotive Leipzig, kurz Lok, stehen auf der Liste der Unterzeichnenden.

    Bereits um 17:30 Uhr setzten sich aus mehreren Richtungen der Stadt Zubringerdemos in Bewegung. Eine der drei startete am Rabet, nahe der Eisenbahnstraße, und wurde vom Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ initiiert. „Wir stehen seit Jahren jeden Montag gegen Nazis auf der Straße und wollen auch heute, an diesem besonderen Datum, ein klares Zeichen setzen“, so Jonas Venediger, Teil des Netzwerks. Dass sich an diesem Tag besonders viele Leipziger Bürger*innen dem Bündnis gegen Rechts anschließen möchten, sei sehr begrüßenswert.

    Der Leipziger Marktplatz ist mit Menschen gefüllt. Weiter hinten im Bild steht eine Bühne, auf der gerade Oberbürgermeister Jung spricht.

    Laut Veranstalter*innen nahmen circa 5.000 Menschen am Geschehen teil.

    Wie viele das tatsächlich in die Tat umsetzten, ließ sich ab 18 Uhr auf dem Marktplatz feststellen. Dieser war bei regnerischem Wetter gut gefüllt, hunderte Menschen lauschten dort der einstündigen Kundgebung. Oberbürgermeister Burkhard Jung, Schauspielerin Mai Duong Kieu und viele weitere hielten Redebeiträge, die an eine demokratische und tolerante Gemeinschaft appellierten. Die Aktion befürwortend, befanden sich auch Vertreter*innen der Parteien SPD und Die Linke in der Menschenmenge. Zweitere zeige an diesem Abend Präsenz gegen rechten Stimmenfang und für mehr Weltoffenheit, meint Marco Böhme, sächsischer Landtagsabgeordneter der Linkspartei. Youssef Addala, Landesvorstand der SPD Sachsen, lobt kurz nach der Kundgebung die Aussagekraft der Veranstaltung: „Wir sehen uns als treibende Kraft der Demokratie, deshalb befürworten wir es, dass auch bei diesem Wetter so viele dafür Gesicht zeigen. Die Botschaft geht definitiv raus.“ Doch ganz einig schien man sich auf dem Marktplatz nicht zu sein. Wer seinen Blick etwas schweifen ließ, könnte erkannt haben, dass neben landespolitisch relevanten Parteien auch Querdenker*innen und rechte Gruppierungen Präsenz zeigten. Besser gesagt: diejenigen, denen durch „Leipzig leuchtet“ der Platz genommen werden sollte. Ein systemkritischer Redebeitrag der Antifaschismusbeauftragten des Studierendenrats der Universität Leipzig, Laura Borges de Sousa, heizte die zwiegespaltene Stimmung weiter auf und sorgte merklich für Widerspruch aus dem Publikum.

    Uneins, aber friedlich begann ab 19 Uhr dann das „Leuchten“. Das Veranstaltungsteam verteilte weiße Regenschirme und rief die Anwesenden dazu auf, sich rund um die Leipziger Innenstadt zu verteilen und die Schirme von unten anzuleuchten. Ob man nun auf der Straße stehen oder laufen sollte, schien nicht wirklich klar zu sein, also wurde beides gemacht. „Wir waren uns da auch nicht sicher. Allgemein lief vieles unorganisiert ab“, meinen Tina und Uwe, die die Demonstration gemeinsam besuchten. Während sich rechte Gruppierungen auch zu diesem Zeitpunkt klar in der Minderheit befanden, versuchten sie, sich umso mehr Gehör zu verschaffen. Damit wurde auf ernüchternde Weise umgegangen, denn ihre Anwesenheit wurde unkommentiert geduldet. Inmitten der erleuchteten Schirme riefen sie später auch zur Teilnahme an rechten Montagsdemos auf. Eine Widerrede blieb aus, da vielen Demonstrant*innen gar nicht bewusst zu sein schien, wer sich außer ihnen noch auf der Veranstaltung befand. Im Demonstrationsaufruf wird kritisiert, dass Feinden der freiheitlichen Demokratie viel zu oft Verständnis entgegengebracht werde. Um ein deutliches Zeichen zu setzen, hätte auch mit entsprechendem Unverständnis reagiert werden sollen. In einer Abschlusserklärung bezieht die Initiative „Leipzig leuchtet für Demokratie und Menschenrechte“ lediglich zu dem Redebeitrag Borges de Sousas Stellung. Wenn die stille Duldung unerwünschter Gruppen zu keinem Zeitpunkt aufgearbeitet wird, kann von entschiedenem Entgegentreten keine Rede sein.

     

    Fotos: Jörn Salzwedel

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