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  • Endlich geschafft… oder auch nicht?

    Sich als trans* zu outen kann sehr erleichternd sein. Welche anderen Gefühle es jedoch mit sich bringen kann, fasst Kolumnist Leen hier zusammen.

    Viele reden darüber, wie schön es ist, endlich als mensch selbst leben zu können. Nicht mehr den richtigen Namen verstecken zu müssen und welche Pronomen mensch eigentlich benutzt. Das Outing und auch die oft folgende Transition fühlt sich in der Regel sehr befreiend an. Besonders was romantische Partnerschaften angeht, ist es ein gutes Gefühl, endlich mit offenen Karten spielen zu können, wenn mensch sich dafür entscheidet. Die andere Person wissen zu lassen, wer mensch ist, und im besten Fall nicht dafür abgewiesen zu werden. Doch was, wenn eben dieser Fall eintritt? Ist doch schön: Du findest jemanden, an dem du romantisches Interesse hast, lässt die Person wissen, dass du trans* bist, und dein Gegenüber reagiert positiv darauf! Ich denke, viele trans* Leute verstehen mich aber, wenn ich jetzt sage, dass der Horror und die Angst damit noch keinesfalls aufhören. Als trans* Person aufzuwachsen, bringt viel Verstecken, Scham und niedriges Selbstwertgefühl mit sich. Sich ständig klein zu halten, die wahre Identität zu verstecken und sich selbst dafür zu beschuldigen, so zu sein, wie mensch eben ist, gehört(e) zum Alltag vieler trans* Menschen. Auch wenn du irgendwann geoutet bist und andere findest, die dich lieben, wie du bist, ändert sich nicht alles von heute auf morgen.

    In einer romantischen Beziehung mit einer cis Person zu sein, kann dies besonders schwierig machen, auch wenn die Person sich sehr große Mühe gibt. Das Gefühl, nicht gut genug, zu anstrengend und einfach nicht richtig zu sein, verlässt die wenigsten Leute so schnell.

    Besonders schwierig stellt sich das für mich dar, wenn ich als transmasc Person romantische Gefühle für einen cis Mann entwickle, der sich noch nicht im Klaren ist über seine queere Identität. Ich freue mich, wenn meine Freund*innen dabei sind, sich selbst besser kennenzulernen. Ich unterstütze andere gerne in diesem Prozess, doch wenn es sich dabei um eine Person handelt, für die ich romantische Gefühle entwickle, habe ich in diesem Verlauf natürlich gemischte Gedanken.

    Kolumnist Leen mit einem Pullover in der Hand

    Binder oder großer Pullover? Foto: privat

    Es löst in mir direkt aus, dass ich mich so weiblich wie möglich präsentieren muss, damit die Chance besteht, dass er meine Gefühle erwidern könnte. Ich versuche, die Balance zu finden dazwischen, mir selbst treu zu bleiben und meine Identität klein zu halten, damit jemand anderes mich mag. Lieber oversized Pullover als einen Binder, lieber meinen Namen benutzen als meine männlichen Pronomen, wenn ich über mich selbst spreche, lieber alle Gespräche vermeiden, die irgendetwas Queeres beinhalten.

    Natürlich ist das total unfair mir selbst gegenüber, das weiß ich, und doch fällt es mir unendlich schwer, es zu lassen. Wenn du als trans* Person sowieso schon aufgrund anderer Probleme ein niedriges Selbstwertgefühl hast, kombiniert sich das alles und macht Beziehungsdynamiken, besonders mit cis Menschen, nicht einfach.

    Auch von trans* Freund*innen in glücklichen Beziehungen höre ich oft, dass sie sich schlecht dafür fühlen, dass deren Partner*innen mit ihnen zusammen sein „müssen”. Dass sie sich schuldig dafür fühlen, dass sie nicht cis und dadurch automatisch eine Belastung sind. Was, wenn mensch darüber nachdenkt, ein wirklich trauriger Gedankengang ist, da sich Menschen ihre Partner*innen in der Regel freiwillig aussuchen und oft wissen, dass diese Person nicht cis ist.

    Wir versuchen immer noch, diese verinnerlichten Gedanken und Gefühle abzubauen und neue, positive Sichtweisen und Selbstbilder aufzubauen. So schwierig es auch sein mag, hoffe ich für mich und all meine trans* Mitmenschen, dass wir es bald schaffen.

     

    Foto: Pixabay

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