Ein Bestseller, der sich lohnt
Bücher über den Jakobsweg gibt es viele. Warum Hape Kerkelings Reisebericht trotz der scheinbar abgedroschenen Thematik unbedingt lesenswert ist, erzählt luhze - Autor Daniel Emmerling.
„Öffne dein Herz und knutsche den Tag.“ So lautet eine der sogenannten „Erkenntnisse des Tages“, die Hape Kerkeling jeden Abend in sein Notizbuch schreibt, das er während seiner Pilgerreise auf dem Jakobsweg bei sich trägt.
Das Buch des Komikers, das er über diese Zeit verfasst hat, heißt „Ich bin dann mal weg“ und verkaufte sich fast fünf Millionen Mal. Es ist das perfekte Lesevergnügen für alle Daheimgebliebenen, die Lust auf einen gedanklichen Kurzurlaub nach Spanien und in die menschliche Seele haben. Einen Reisebericht zu lesen, hat im Vergleich zu einem tatsächlichen Urlaub folgenden Vorteil: man bekommt nicht nur Einblicke in neue Orte, sondern auch in die Innenwelt der Person, die diese Orte beschreibt.
Mir fiel „Ich bin dann mal weg“ eher zufällig auf einem Flohmarkt in die Hände. Zuerst habe ich ganz entspannt reingelesen, aber war dann doch überrascht, wie sehr mich das Buch gepackt hat. Jeden Abend habe ich mich aufs Lesen gefreut und das geht mir echt selten so, obwohl ich Bücher liebe. Hape beschreibt die Strapazen des Wanderns, die Menschen, die er unterwegs trifft und die Gedanken, die ihm auf der Reise kommen. Das Ganze ist vermischt mit kurzen Rückblenden in die Vergangenheit, mir blieb dabei vor allem ein Erlebnis im Gedächtnis: Hape musste erleben, wie trotz Erste-Hilfe-Maßnahmen vor seinen Augen eine alte Frau erstickte, ohne dass er etwas dagegen tun konnte.
Das überrascht ein wenig, da man bei dem Buch in erster Linie an Feel-Good-Sinnsuch-Atmosphäre denkt. Natürlich wird Hape seinem Hintergrund als Comedian gerecht, viele Teile des Buches sind wirklich witzig. Beispielsweise, wie er ein paar Jungen, die Steine durch sein offenes Fenster werfen, mit einem Eimer Wasser verjagt. Der Grundton des Buches ist meist sehr humorvoll, Hape ist ein messerscharfer Beobachter der Menschen um sich herum. Er erzählt auch von vielen Dingen, die ihn nachdenklich machen. Die Schilderung eines alten, verstrittenen Ehepaars und Hapes Frage an sich selbst, ob wir eines Tages alle so enden werden, hat etwas unfassbar Trauriges.
Die Gedanken über Religion sind spannend, ohne dass er sie den Leser*innen aufdrängt. Die Definition von Gott fand ich wahnsinnig toll: „Gott ist das eine Individuum, das sich unendlich öffnet, um damit alle zu befreien.“ Hape findet sehr deutliche Worte zur Homophobie innerhalb der Katholischen Kirche, die auch seine eigene Sexualität in Frage stellt.
Daneben erzählt das Buch vor allem eine Geschichte, die Ups und Downs der Reise, die Begegnungen mit zwei Mitwanderinnen, die zu Freundinnen werden, und Anderen, die einfach nur tierisch nerven.
Insgesamt betrachtet hat mich „Ich bin dann mal weg“ in meiner Gedankenwelt sehr abgeholt, insbesondere die Mischung aus Roadmovie, Comedy, Sinnsuche und tiefer Ernsthaftigkeit hat es mir angetan. Hape ist völlig frei von bedeutungsschwangerem, prätentiösem Duktus und schreibt emotional-launig, ohne ins Oberflächliche abzugleiten.
Foto: Spotify
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