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  • Innovativ, interaktiv, immersiv

    Die Relevanz von digitalen Kunst- und Darstellungsformen nimmt zu. In Leipzig beim Bright Festival haben sich nationale und internationale Künstler*innen versammelt und ihre Werke präsentiert.

    Gerade noch eine alte Industriehalle im Halbdunkel, man ist umgeben von meterhohen schmucklosen Backsteinwänden. Im nächsten Moment erstreckt sich eine Installation über den gesamten Raum, die künstlerische Projektion vor, hinter, über und auch unter den eigenen Füßen. Die Musik setzt ein und über die Höhen getragen und Bässe geerdet, vergisst man ganz, wo man eigentlich ist. Genau das – vollständig in einem Kunstwerk zu versinken – ist immersive Kunst.

    Darauf hat sich das Kunstkraftwerk (KKW), geleitet von Markus Löffler, spezialisiert. Seit 2015 sind verschiedene Installationen in dem ehemaligen Braunkohlekraftwerk der Großen Leipziger Straßenbahnen zu sehen. Besonders imposant in seiner künstlerischen Vielfalt zeigt sich das KKW beim Bright Festival Connect wie auch dieses Jahr vom 21. bis 24. Oktober. Seinen Ursprung hat die Veranstaltung in Florenz, gegründet vom Kreativdirektor Claudio Caciolli. Nicht nur als Gastgeber, sondern zusammen mit Caciolli und Stefano Fake, einem bekannten italienischen Künstler in diesem Bereich, koproduzierte das KKW die zweite Leipziger Ausgabe des europäischen Festivals.

    Funmi Olanigan sitzt auf einem Stuhl vor einem prisma-mäßig verzerrten Hintergrund.

    Selfiesession

    „Die Idee von Kunst verändert sich“, erklärt Stefano Fake, „und der Gedanke war es, die modernen Kunstformen, die sich noch nicht etabliert haben, an diesem Ort zu vereinen.“ Acht Ausstellungen von insgesamt 25 Künstler*innen aus zwölf Ländern bot das Festival und somit eine Plattform für allerlei neue Formen der Kunst. Von Video Mapping über Lichtdesign bis hin zu Klangspielen und verschiedenen interaktiven Konzepten wie die Ausstellung Dancing with the past, bei der man mit seinem digitalen Schatten tanzt, der um eine*n an die Wände projiziert wird. Außerdem brachte Stefano Fake Proben seines neu eröffneten Selfie-Museums mit. „Heutzutage hat jeder eine Kamera dabei, das eigene Handy, und damit die Möglichkeit, Künstler zu sein. Mit der Ausstellung gebe ich die eine Hälfte mit, aber das Kunstwerk entsteht erst zusammen mit dem Besucher“, schildert Stefano Fake. (Abbildung: Mein Selfie)

    Eine der großen immersiven Shows zeigte in 35 Minuten zehn Werke der aktuell zehn mitbesten deutschen Studios. Auf jeden Beitrag müsse man sich aufs Neue einlassen, erläuterte Löffler. Und tatsächlich löste jedes Werk völlig andere Assoziationen in mir aus. Das erste Werk erschien mir wie ein Ruf des Universums, mit dem Bass tiefröhrend, einem Urton gleichend. In der zweiten Performance wurden verschieden große und farbige Gitterboxen an die Wände projiziert. Die alle miteinander kommunizierten durch ihren eigenen Sound, gleichsam heilsam und harmonisch. In einem anderen Beitrag hatte ich das Gefühl, mich doch wieder in einem Kraftwerk zu befinden oder in einem Stromkabel umgeben von Gigamegaultratonnen an Strom.

    Die Assoziationen und Gedanken zu den Werken sind divers und genau das scheint das Geheimnis solcher Ausstellungen zu sein. Sie lösen etwas in den Besucher*innen aus, nehmen sie mit auf der emotionalen Ebene. Immersive Kunst tanzt aus der Reihe und entfernt sich von einem konservativen Kunstbewusstsein. Dabei ist sie vielleicht nicht die intellektuell anspruchsvollste Form, aber das ist der Punkt. Dadurch ist sie für eine große Masse zugänglich. So erzählt Löffler, dass normalerweise sich das Alter des Publikums von drei bis 90 Jahren erstrecke und die gesamte Spannweite von den Ausstellungen angesprochen würde. Vermutlich ist das das Erfolgsrezept und wird der Grund sein, warum in Zukunft immer mehr Museen digitale und immersive Elemente zur pädagogischen Vermittlung nutzen könnten. Interesse gibt es, das zeigte sich bereits auf einer Konferenz von Claudio Caciolli Anfang Oktober mit führenden Museumsdirektor*innen in Italien, die genau das für sich zukünftig nutzen möchten.

    Auch wenn das Festival bereits vorbei ist, werden Teile der interaktiven Licht-Sound Installationen Aether der schwedischen Künstler*innen Gruppe Rumtiden Idea Lab im Keller des KKW im November an den Wochenenden erlebbar bleiben. Deren Gründer Hakan Lidbo erzählt, dass die Idee der Ausstellung gewesen sei, der Musik als etwas Unsichtbarem eine Form zu geben und Licht als etwas Stillem eine Stimme. Daraus ergaben sich insgesamt 14 Teilinstallationen, die auf den*die Besucher*in reagieren. Ebenfalls wird Stefano Fakes Selfie-Museum bis zu Beginn des neuen Jahres 2022 im KKW zu sehen sein.

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