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  • Lebenslauf füll dich

    Sich mit einem prall gefüllten Lebenslauf zum besseren Menschen oder Traumbewerber zu transformieren, ist bei vielen Studierenden Staatsraison. Warum hier weniger mehr ist, erklärt Kolumnist Dennis.

    Ich denke mal, es ist allgemeiner Konsens, dass du dich, wenn du nicht gerade einen Abschluss in Medizin oder Ingenieurswesen anstrebst, irgendwie aus der Schwemme an Bewerbern und Absolventen für den Traumjob abheben musst. Insbesondere in geisteswissenschaftlichen Disziplinen musst du irgendwie deinen an sich nutzlosen Abschluss kompensieren. Und in karriereorientierten Studiengängen wie Jura und BWL, wo ein Konkurrenzkampf wie im Dschungel herrscht, musst du ja irgendwie zeigen, dass du besser als der Anzugständer neben dir bist. Besonders beliebt dabei – das Ehrenamt.

    Egal ob Politik, Klima oder irgendein semiprofessionelles Medienprojekt, die Möglichkeiten sind so umfangreich, dass du dich schwer entscheiden kannst. Am liebsten würdest du natürlich alles gleichzeitig machen, so wie ich ebenfalls für lange Zeit wollte. Zu meiner Schulzeit hatte ich keinen Bock auf irgendwas nebenher. Sobald ich aus der Unterrichtskaserne raus war hieß es: Freizeit! Obwohl ich mich schon damals für Politik begeisterte, konnte mich das trotzdem nicht aus der Komfortzone herausholen. Auch zu Beginn meines Studiums habe ich ehrenamtliches Engegement nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Erst durch eine Kombination aus fehlenden sozialen Kontakten und politischer Unzufriedenheit habe ich mich dann aus der Bequemlichkeit erhoben und bin zunächst zu der Hochschulzeitung gegangen, auf deren Website ihr jetzt gerade seid. Doch dabei blieb es nicht. Ich schaute überall mal rein, nahm an gefühlt zehntausend Sitzungen teil und vernachlässigte dadurch mein Studium.

    Portraitfoto von Kolumnist Dennis

    Kolumnist Dennis ist immer noch in zu vielen Vereinen aktiv.

    Auch wenn ich viele Sachen später wieder sein ließ, haben sich stand Heute sechs Vereinsmitgliedschaften und zwei Projekte angehäuft, die ständiger Aufmerksamkeit bedürfen. Doch auch  von der Vernachlässigung des Studiums abgesehen ist hier mehr nicht zwingend besser. Zunächst einmal kommt der Impuls zum Engagement eben nicht aus intrinsischer Motivation, sondern wird durch den Konkurrenzdruck am potentiellen Arbeitsmarkt gesetzt. Das heißt, du begibst dich vermeintlich freiwillig in ein Hamsterrad, um dich bestmöglich selbst darzustellen und setzt dich dabei unnötigen Stress aus.

    Hinzu kommt: Wenn du in vielen Sachen drin hängst, wird es dir früher oder später an nötigem Fokus fehlen. Du machst alles und unter dem Strich kommt nichts dabei raus. Besonders nervig ist das für die Vereine und Initiativen, in denen du Mitglied bist. Denn die brauchen Beständigkeit und wollen sich auf Ihre Leute verlassen können. Nichts ist nerviger, als wenn am Semesterande die Leute davonlaufen, weil sie merken, dass sie doch keine Zeit haben oder schon das nächste Projekt im Blick haben. Noch schlimmer sind nur die Leute, die mal kurzzeitig zur Selbstinszenierung mitmachen – eine Mitgliedschaft bei Amnesty macht sich halt extra gut – du bist ein toller Mensch. Auch wenn du da nur einen Monat warst. Klar sollte man sich vieles mal anschauen, gerade auch um zu wissen was man will und was nicht. Wenn du dich für eine Sache wirklich begeisterst und dein kreatives Potential entfalten kannst, wird sich dein zukünftiger Arbeitgeber viel mehr freuen und du selbst auch. Also wenn du z.B. einen Verein gefunden hast, dann bleib dabei und übernimm Verantwortung. Deine Mitstreiter und die Sache für die du dich einsetzt werden es dir danken.

     

     

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