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  • Kompromisslos unglücklich

    Leben und Studium täuschen uns oft Möglichkeiten vor, in denen Kompromisse schwer sind. Kolumnist Dennis, dem immer wieder fehlende Kompromissbereitschaft vorgeworfen wird, erklärt das Problem.

    Ihr alle kennt bestimmt das Klischeedorfpaar, nennen wir sie Ronny und Nadine, die seit gefühlt 40 Jahren in einer Beziehung sind und mittlerweile schon fast identisch aussehen. Während sich die einen beim vergeblichen Tindern darüber lustig machen, fragen sich sich die anderen neidvoll, wo denn der eigene perfekte Partner oder die eigene perfekte Partnerin bleibt, mit der man bis zum Omega zusammenleben möchte.

    Das Modell Ronny und Nadine wird besonders im Kontext des Studiums stark strapaziert. Sich zwischen WG-Raves, Kneipenmarathon und Realtinder in der Unibibliothek eine dauerhafte Beziehung bewahren, besonders wenn der Partner 300 Kilometer weit entfernt im Heimatkaff geblieben ist – ist schwierig, zumindest für die meisten Menschen. Neben dem Drang zum zwischenmenschlichen Hedonismus gibt es noch zwei andere Störfaktoren. Zum einen besteht die „Gefahr“, dass man sich durch all die sozialwissenschaftlichen Seminare der Social-Justice überantwortet, während der Partner es auch weiterhin passabel findet, sexistische Dadjokes auf Stammtischniveau rauszufeuern.

    Doch der mutmaßlich stärkste Grund ist der sich womöglich  nach dem Studium, oder zumindest auf dem Lebensplanungsreißbrett scheidende Lebensweg. Selbst wenn ihr euch erst im Studium kennengelernt habt und beide pflichtgemäß in der Arbeitsrechts-Vorlesung sitzt, ist die Qual der Wahl an möglichen Handlungsoptionen eine stetige Diskussionsrampe. Soll es in die Wirtschaftskanzlei nach Frankfurt gehen, oder doch lieber in die beschauliche Kleinkanzlei nach Jena?

    Portraitfoto von Kolumnist Dennis

    Kolumnist Dennis wird immer wieder fehlende Kompromissbereitschaft vorgeworfen.

    Und die wichtigste Frage, wer von beiden soll nachgeben? Da muss also ein Kompromiss her, aber wie soll der aussehen? Vielleicht ein Küchenstudio in Erfurt gründen? Nee, auf keinen Fall! Ich will mich doch durchsetzen und natürlich die Maximalforderung bekommen – ich studiere doch nicht Jura um mich mit Kompromissdystopien hinzugeben! Dabei fängt diese Antihaltung doch schon bei der Frage der Abendaktivität an. Selber Sushi machen, oder doch lieber auf ein illegales Hardcore-Konzert und können wir das Sushi nicht einfach bestellen?

    Gerade wenn du dich in deinem Studium sehr frei, und fern elterlicher Überwachung entfalten kannst und dich nicht wie Ronny und Nadine seit 40 Jahren in einer Beziehung befindest, ist die Gefahr groß, dass du deine Kompromissbereitschaft einfach verlernst. Sich mit deinen drei Mitbewohnern um die Bergung der Pfandsammlung in der Küche zu einigen, zählt da nicht als Übung.

    Befeuert wird das Ganze noch durch unnütze Marketingagenturen, die dir bei jeder Gelegenheit mantrahaft predigen, dass dir die ganze Welt offensteht, du einzigartig bist und doch auch bei einem Sabbatical in New South Wales nette Leute kennenlernen kannst! Optionen und so.

    Doch was will ich damit eigentlich sagen? Zunächst mal, dass diese „Welt voller Möglichkeiten“, selbst wenn man den ganzen Privilegienkomplex ausklammert, eine Illusion ist. Du wirst nicht zwangsläufig glücklicher, wenn du zwar durch Australien gereist bist und auf einem E-Scooter übernachtet hast, oder dich durch die ganze Südvorstadt getindert hast, dafür deine bis dato eigentlich ziemlich gute Beziehung aber vorüber ist. Du hast zwar technisch gesehen die Möglichkeiten, doch die emotionale Konsequenz für dich ist gar nicht mal so gut.

    Wir müssen anfangen wieder mit Kompromissen umgehen zu lernen, auch wenn es uns schwerfällt. Und mit uns meine ich hier zum Beispiel mich, da mir genau diese Kompromissbereitschaft schon bei den kleinen Fragen des Alltages schwer fällt und ehe du dich versiehst, ist die Partnerschaft auch schon wieder zu Ende. Du musst dich nämlich nicht bei der Diskussion um die Abendgestaltung durchsetzen, es noch nicht mal darauf ankommen lassen. Auch wenn es grundsätzlich gut ist Meinungsverschiedenheiten auszutragen, anstatt sie in sich reinzufressen, bis sie sich irgendwann in einem cholerischen Drohnenangriff entladen. Du musst mit deinem Partner ja erstmal richtig zusammenfinden.

    Zu guter Letzt sollten wir uns mit Entscheidungen einfach nicht zu schwer tun, mit viel mehr Gelassenheit in den Tag starten. Differenzen über die Lebensgestaltungen erledigen sich meist ohnehin von alleine, spätestens wenn du erkennst, was für deine Entscheidungen wirklich relevant ist.

    Du willst wissen was das sein soll? Dann frag mal Ronny und Nadine, die beiden wissen genau, worauf es unterm Strich ankommt.

     

    Titelfoto: Pixabay

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