• Menü
  • Kolumne
  • Der Stoff, der uns zusammenbringt

    Kolumnist Maximilian denkt zum Jahreswechsel darüber nach, was uns zusammenbringt. Die Antwort haltet ihr womöglich gerade in euren Händen.

    Weihnachtszeit. Familie und Freunde kommen zusammen, genießen das Beisammensein und was fehlt fast nie? Richtig, ein kleiner Drink. Mit anderen Worten: Drogen. In Europa besonders Alkohol.

    „Keine Gesellschaft dieser Welt kommt ohne Drogen aus“, schreibt der Kulturwissenschaftler Mike Jay. Warum ist das so? Wenn sich Menschen seit Jahrtausenden in Rausch versetzen, muss das einen Grund haben.

    Dafür lasse ich die vergangenen Wochen einmal Revue passieren:

    Erst brachte der Glühwein-Rausch der Weihnachtsmärkte meine Leber an ihre Belastungsgrenze. Dann forderte das weihnachtliche Zusammenkommen mit Freunden und Familie seinen Tribut. Hey, lange nicht gesehen! Glühwein mit Schuss? Äh, klar doch! Schön, dass wir alle im engsten Kreis der Familie zusammenkommen. Prost! Mensch, Tante Helga, ewig ist’s her. Darauf trinken wir! Es war ein Spießrutenlauf alkoholisierter Rituale.

    Kaum sind die Weihnachtsfeiertage überstanden, steht uns schon das nächste Event bevor: Neujahr. Und, was wird getrunken? Klar, Feuerzangenbowle. Ein bisschen urzeitlich werden wir lächelnd und tratschend um einen flammenden Topf herumsitzen, bevor uns das Gesöff selbst den Hals herunterbrennt.

    Maximilian Berkenheide vor Bergseepanorama

    Kolumnist Max weiß, was ihr Silvester macht.

    Dann schlägt’s Zwölf und überall knallt’s. Draußen Böller, drinnen Sektkorken. Denn kaum etwas ist feierlicher als ein Korken, der mit einem lauten Plopp durch die Luft schießt. Und wo es feierlich ist, dort sind Menschen gerne zusammen.

    Das berühmte Feierabendbier, der Rotwein zum romantischen Dinner, der Doppelkorn auf der Erstsemesterfahrt. Alkohol ölt offenbar das soziale Getriebe. Aber nicht nur der.

    Beispiel Zigarettenpause: Am Arbeitsplatz ermöglicht sie Kolleginnen und Kollegen eine gemeinsame Atempause. Auf der WG-Party ist sie die Ausrede, um sich näher kennenzulernen. Aber nicht nur im profanen Alltag, auch im Krieg war Tabak mit dabei. Ob glimmend in den Schützengräben der Weltkriege oder als Friedenspfeife am Verhandlungstisch.

    Dasselbe Phänomen sehen wir jenseits des Gesetzes. In jedem Kifferfilm lassen die Hauptpersonen den corpus delicti kichernd kreisen. Menschen auf Ecstasy wollen den ganzen Club umarmen. Und habt ihr schon einmal gesehen, wie viele Personen während einer Techno-Party mitunter in eine Toilettenkabine gehen? Da drin wird’s kuschliger, als in einem dieser Autos aus einer Zirkusnummer, dem unzählige Clown entsteigen.

    Ach, ihr nehmt keine Drogen? Wie steht’s mit dem Tee, den ihr so gern zum gemeinsamen Kuchen in der großen Kanne aufbrüht? Oder die Kaffeepause, die man einfach nicht alleine verbringen möchte?

    Laut der Weltgesundheitsorganisation ist jede Substanz eine Droge, die in einem lebenden Organismus Funktionen verändern kann. Sei es nun der körperliche Zustand oder das Bewusstsein. Dazu gehören nun einmal auch die Wachmacher Koffein beziehungsweise Teein. Ganz zu schweigen vom Weihrauch, der gerade zu Weihnachten die katholische Gemeinde in Umnebelung vereint.

    Wir machen uns wacher und entspannter, empathischer und ausdauernder, wir putschen uns auf und bringen uns runter. Und das tun wir am liebsten in guter Gesellschaft. Menschen wollen zusammenkommen, sind aber getrennt durch unterschiedliche Meinungen, Lebensumstände und Charaktere. Drogen mögen ein Vehikel sein, diese Gräben zu überbrücken.

    Natürlich lösen Drogen mitnichten nur fröhliche Verschwisterung aus. Diese Kolumne ist augenzwinkernd zu verstehen und soll keineswegs ein Plädoyer sein für Feiertage im Rausch.

    Aber wisst ihr, was uns am Ende wirklich alle verbindet? Der Kater danach. Prost Neujahr!

    Titelbild: Pixabay

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.

    Verwandte Artikel

    Clubcourage

    Für viele ein Stück Freiheit, für andere der absolute Albtraum: Feiern in Clubs ist laut, stickig und oft sexuell aufgeladen. Wie kann in diesem Umfeld ein Schutzraum für jede*n geschaffen werden?

    Kolumne | 24. März 2019

    Hausinterne Gentrifizierung

    Es sind nicht immer Immobilienkonzerne, die dich entmieten. Manchmal sind es auch deine einstigen Nachbarn. Kolumnist Dennis ist über dieses Phänomen gestolpert.

    Kolumne | 22. Dezember 2019