Nach Anschlag: Gedenkversammlungen in Leipzig und Halle
Nach dem Anschlag gestern in Halle fanden heute mehrere Gedenkversammlungen in Leipzig statt. Sowohl die Kritischen Einführungswochen als auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft riefen dazu auf.
Nach dem rechtsextremen Anschlag gestern in Halle folgten heute Mittag mehrere hundert Menschen, vorrangig Studierende, dem Aufruf der Kritischen Einführungswochen (KEW) und versammelten sich auf dem Innenhof des Campus Augustusplatz der Universität Leipzig, um der Opfer zu gedenken. Nach einer kurzen Ansprache von KEW-Mitgliedern, bei der sie die Tat und ihre abscheulichen Motive beschrieben, hielt Zsolt Balla, Sächsischer Landesrabbiner und Rabbiner der Israelitischen Gemeinde zu Leipzig, eine Rede.
Er nannte die Tat einen „traurigen Weckruf“ für seine Gemeinde, aber auch für die gesamte Gesellschaft. Er forderte die Bundesregierung auf, höhere physische Sicherheit für jüdische Gemeinden in Deutschland zu gewährleisten. „Jedoch müssen wir nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern auch ihre Ursachen“, sagte er mit Nachdruck. Der Anschlag sei nicht nur eine antisemitische Tat, sondern eine xenophobe gewesen. Er rief dazu auf, gemeinsam gegen Fremdenfeindlichkeit ein Zeichen zu setzen.
Während der Kundgebung hielten KEW-Mitglieder ein weißes Banner in ihren Händen, auf dem mit schwarzer Schrift „In Gedenken an die Opfer des rechten Terrors“ geschrieben stand. In ihren Händen hielten sie weiße und rote Blumen.
Zwei Organisatorinnen der KEW forderten in ihrer Ansprache, den Täter des Halle-Anschlags nicht als Einzeltäter abzustempeln, sondern bei der Aufarbeitung der Tat das rechtsextreme Terrornetzwerk im Hintergrund zu berücksichtigen. Die Aufklärung rechtsradikalen Terrors dürfe nicht wie beim sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) scheitern.
Nach der Schweigeminute gingen die Teilnehmer der Kundgebung gemeinsam zum Mahnmal in der Gottschedstraße, um dort Steine und Blumen niederzulegen. Bis zur Pogromnacht am 9. November 1938 stand dort die älteste und bedeutendste Synagoge Leipzigs. Heute erinnert ein Mahnmal aus 140 leeren Bronzestühlen auf dem ehemaligen Grundriss des Gotteshauses an die Synagogenzerstörung.

Bei der Gedenkversammlung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft gedachten heute zwischen 150 und 200 Menschen der Opfer von Halle. (Foto: Hagen Küsters)
Gegen 17 Uhr versammelten sich dann unter dem Motto „Gegen jeden Antisemitismus“ etwa 150 bis 200 Menschen auf dem Richard-Wagner-Platz. Sie folgten einem Aufruf der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, mehrere Israel-Flaggen wehten durch die Herbstluft. Auch Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nahm an der Gedenkversammlung teil.
In Halle finden heute ebenfalls mehrere Stille Gedenken statt. Für 17 Uhr war eine Zusammenkunft der Stadt Halle in Kooperation mit dem Verein Zeitgeschichte(n) angekündigt, bei dem Bundes- und Landespolitiker auf dem Marktplatz in Halle der Opfer gedachten. Um 18 Uhr fand eine Gedenkandacht in der Pauluskirche mit anschließendem Schweigeweg zur Synagoge statt. Für 19:30 Uhr ist ein Stilles Gedenken vor der Marktkirche geplant. Das Hallensische Stadtbild war heute durch hohe Polizeipräsenz geprägt. Vor der Synagoge und vor dem Dönerladen, in dem der Täter einen Mann ermordete, breitete sich im Laufe der gestrigen Abends und des heutigen Tages ein Meer aus Blumen und Kerzen aus. Bei der Synagoge herrschten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen, nur etwa 20 bis 30 Menschen auf einmal durften den Straßenabschnitt vor dem jüdischen Gotteshaus betreten, um dort Blumen und Kerzen abzulegen.
Gestern hatte ein 27-Jähriger aus Sachsen-Anhalt versucht, in die Synagoge in der Humboldtstraße in Halle einzudringen. Sein Ziel war, dort Menschen jüdischen Glaubens zu ermorden. Am gestrigen höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur befanden sich zwischen 70 und 80 Gläubige in dem Gotteshaus. Als es dem Täter nicht gelang, in die Synagoge einzudringen, ermordete er eine Passantin und eine Person in einem Dönerladen. Zwei weitere Menschen wurden durch Schüsse schwer verletzt, befinden sich aber nach Medienberichten nicht mehr in Lebensgefahr.


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