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  • Vier Tage Muskelkater in Daumen und Beinen

    Die weltgrößte Spielemesse Gamescom feiert 2019 ihr zehnjähriges Jubiläum und einen neuen Besucherrekord von 373.000. Unser Redakteur Dennis war dabei und schildert euch seine Messeeindrücke.

    Als ich das letzte Mal auf der Gamescom war, hieß sie noch Games Convention, fand in Leipzig statt und ich hatte ein blaues ab 16 Altersbändchen. Das war 2008 und ist heute schon gefühlt retro. Seitdem die Messe ein Jahr später nach Köln umgezogen wurde, wollte ich sie eigentlich boykottieren, doch irgendwann taut auch die am besten konservierte Antihaltung auf und als ich davon erfuhr, dass neben den vielversprechenden Spielevorstellungen auch noch Axel Voss (CDU), der Architekt der Uploadfilter (Artikel 13) zu Gast sein wird, dachte ich mir: Da muss ich doch hin.

    Also setzte ich mich ins Auto und fuhr ans andere Ende der Republik. Der erste Tag war den Fachbesuchern vorbehalten, aber mit Presseakkreditierung wurde mir schon vor dem massiven Besucheransturm Einlass gewährt. Ich betrat mit Begeisterung und etwas Überforderung die sieben riesigen Hallen, die überwiegend in einer dunklen und kühlen Atmosphäre gehalten waren, aber durch Musik aus jeder Ecke, helle Leuchtreklamen der Stände und die Rundumbespaßung der Gamer zum Leben erweckt wurden.

    Volle Messehallen

    Bei dem wohl wichtigsten Spiel der Messe Cyberpunk 2077 war mir die Schlange aber schon von weiten zu lang, daher entschied ich, mir das lieber gleich früh am kommenden Tag anzuschauen – böser Fehler.

    Ebenfalls mit sehnlichst erwartet, der dritte Teil der Hacker-Saga Watch Dogs. Der neuste Teil spielt in einem dystopischen Post-Brexit London und erlaubt es dem Spieler, jede Spielfigur im virtuellen London zu steuern, daher der Titel: Watch Dogs Legion. Gezeigt wurden dabei neue Gameplay-Aspekte.

    Pünktlich zum 20-jährigen Jubiläum der Rennspielreihe Need for Speed, konnte man den neusten Teil Need for Speed Heat testen. Dazu wurden immer 40 Interessenten an die Bildschirme gebeten, die dann alle synchron ein paar Runden drehen durften. Interessant dabei war, dass anscheinend der 80s’ Synthwave Trend auch vor diesem Spiel nicht Halt macht.

    Im Anschluss stand ein kurzes Multiplayer Match, zum Testen des neuen Ghost Recon Breakpoint, einem Militär-Shooter mit Tom Clancy Lizenz, an. Immer vier Leute wurden rausgezogen und sollten gemeinsam eine Mission bestreiten.  Meine drei untereinander befreundeten Teamkameraden, die sich erstaunlich ähnlich sahen, bevorzugten die Absprache über das Headset. Als Veteran folgte ich jedoch eher dem Motto: einfach machen. Die Aufgabe war einfach, in eine Forschungsstation eindringen, Geisel befreien und per Helikopter entkommen und das in 20 Minuten – kein Ding, dachte ich mir. Doch der Entwickler Ubisoft setzt diesmal mehr auf Survival-Elemente, heißt: Simples Draufballern funktioniert nur noch mittelmäßig, was ich nach kurzer Zeit bei der Bekanntschaft meiner Spielfigur mit dem Fußboden merkte. Unsere Vorgehensweise war eher wenig subtil und von Planlosigkeit und Bildschirmtoten geprägt, die Geisel war nicht auffindbar und ich machte aus Versehen den Hubschrauber kaputt. Doch dann wendete sich das Blatt. Ich konnte dank einer Klettereinlage die Geisel finden und wir ballerten uns humpelnd durch die anrückenden Söldnerwellen zu einem zweiten Helikopter. Das Steuer war erklommen, die Person in Sicherheit und ab ging es Richtung Sonnenuntergang, sogar nur knapp über dem Zeitlimit – Wahnsinn!

    Am großen Xbox-Stand spielte ich die neue Rennsimulation GRID, sowie den Rollenspiel-Shooter Borderlands 3 an, während ich neues Material zum kommenden Flight Simulator vermisste.

    Messetrend VR Gaming

    Die Trends der Messe, Cloud-Gaming und Virtual Reality Gaming (VR), wurden durch diverse Hersteller präsentiert, so hatte etwa Google mit seinem Stadia-Programm einen überproportionalen Stand. Der Gedanke dahinter: Die Spiele werden in Echtzeit von Servern auf Geräte gestreamt, also quasi Netflix für Spiele. Doch im Gegensatz zu Netflix bringt das vorgestellte Kostenmodell bisher keinen Vorteil. Lediglich Hardware-Hürden können damit überwunden werden.

    In der Retroecke konnte alles gespielt werden, was man heute zumeist nur noch im Museum findet. Egal ob eine Runde Final Fight am Automaten, Gran Turismo zu zweit auf der PSone oder einfach nur PONG. Im Cosplay Bereich konnte sich dann noch jeder ein Selfie mit seinem Lieblingscharakter holen, der sicherlich von irgendeinem Besucher dargestellt wurde. In der Merchandisehalle konnte man sich mit Figuren, Plüschtieren und anderen Kram aus Japan, oder Lichtschwertern ausstatten.

    Später sollte eines der Highlights stattfinden, die Debatte mit Axel Voss. Inhaltlich ging es dabei lediglich um die Kunst der Kommunikation im Zeitalter von Youtube und Co. Doch es gab weder eine wütende Meute, noch Beleidigungen, lediglich vereinzeltes Gelächter über seine Aussagen. Zusammenfassend lässt sich sagen, heute hätte Voss nach eigener Aussage anders und sachlicher kommuniziert, doch durch die aufgeladene Stimmung zu Beginn des Jahres war das nach seiner Einschätzung einfach nicht möglich. Auch bekräftigte er erneut, dass er ebenfalls keine Uploadfilter will. Nun, wir sprechen uns in anderthalb Jahren wieder, wenn die Reform in nationales Recht umgewandelt werden muss.

    Retroecke

    Am Donnerstag war die Schlange vor dem Cyberpunk-Stand gefühlt noch länger, also entschied ich mich die Lebenszeit anders zu nutzen und schweren Herzens auf die Präsentation des Spiels zu verzichten. Stattdessen ging es zum Nintendostand, um das neue Pokémon (Schild/Schwert) anzuspielen. Trotz des Early Access waren es gut zwei Stunden, aber es hat sich gelohnt, denn die Erinnerung an die gute alte GameBoy Zeit, kombiniert mit moderner Grafik und modernem Gameplay machte großen Spaß. Jetzt muss ich mir nur noch die entsprechende Konsole zulegen.

    Zum Abschluss bleibt zu sagen, wer sich für Gaming-Kultur und Spiele lang vor Release anspielen will, wird auf der Gamescom wenig vermissen und braucht wegen der teils langen Wartezeiten auch die vier Tage um alles sehen zu können. Leute mit wenig Geduld und jene, die große Menschenansammlungen eher meiden wollen, werden jedoch auf die Probe gestellt. Dafür ist der Weg in das Kölner Zentrum sehr kurz.

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