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  • Streichholz und Benzin – aber nur ein kleines Feuer

    Rammstein machen mit ihrem neuen Album „Rammstein“ genau da weiter, wo sie vor zehn Jahren aufgehört haben – und genau das ist das Problem.

    Zehn Jahre, in Worten zehn ganze Jahre, hat es gedauert, bis die Berliner Band Rammstein eine neue Scheibe am Start hatte, und was waren die Erwartungen der Fans hoch. Schon im Vorfeld sorgte ein Teaser der ersten Singleauskopplung „Deutschland“ für einen soliden Skandal und überraschte anschließend mit einem gewaltigen Werk über die deutsche Geschichte, zumindest deren dunkle Seiten. Die skandallüsterne Presselandschaft war damit schon mal zufriedengestellt.

    Und dann? Das im Vorfeld veröffentlichte minimalistisch gehaltene Cover zeigt ein Streichholz. Eine Metapher für unsere Zeit, in der die Brandstifter den politischen Diskurs bestimmen? Gerade nach den jüngst veröffentlichten Songs „Deutschland“ und „Radio“ deutete einiges darauf hin, dass das Album eine politische Ansage wird. Doch wird die Industrial-Combo wirklich ein politisches Manifest abliefern, dem Zeitgeist entsprechend? Das war zumindest mein herrschender Gedanke, von dem nach dem ersten Durchhören jedoch nicht mehr viel übrig blieb.

    Die sechs Herren waren seit ihren Anfängen in den Neunzigern dafür bekannt, schnittige Riffs mit kalter und präziser Stimmgewalt zu einem recht einprägsamen Industrial Metal zu kombinieren. Hinzu kamen Texte über Gewalt, Inzest und andere unangenehme Themen, zu denen man sonst nicht laut im Auto bei heruntergelassener Scheibe mitsingen würde.

    Zu „Deutschland“ wurde eigentlich schon alles gesagt, dank der eigenen Debatte samt Empörungswelle. Nur soviel, es ist und bleibt der Höhepunkt der Scheibe. Die zweite Singleauskopplung „Radio“ kritisiert die Medienrepression in autokratischen Regimen und ist dabei überraschend tanzbar.

    So, und das war es leider auch schon mit dem politischen Teil der Platte. Es folgt „Zeig dich“, ein Titel, der quasi als Halleluja Teil 2 umrissen werden könnte: Religionskritik, beziehungsweise Kritik an der katholischen Kirche und Kindesmissbrauch. Klar, das Thema ist nach wie vor hochaktuell, jedoch verfehlt es die Band, einen Beitrag mit eigenen Akzenten zu setzen. „Ausländer“ lässt textlich viel Interpretationsspielraum. Das Wort, das in der deutschen Sprache einer überwiegend negativen Konnotation unterworfen ist, muss wohl der Provokation dienen. Auch musikalisch wird der Track den ein oder anderen sicher provoziere  n, dank des starken EDM-Einschlages.

    Der verstörendste Titel der Platte folgt nach dem eher uninspirierten „Sex“ und heißt „Puppe“. Das Setting: Ein Junge hört mit an, wie sich seine Schwester im Nachbarzimmer prostituiert und anschließend getötet wird. Das Stück geht langsam und unscheinbar los, bis aus dem Nichts die Schreie des Sängers Till Lindemann die Gedanken des Jungen ausdrückt. Der Song hinterlässt ein unangenehmes Gefühl – so wie man das eben von einem Rammstein-Text erwartet. Danach folgen drei Lieder, die irgendwie nicht zünden wollen und sehr beliebig wirken. Mit „Tattoo“ geht es dann wieder straff nach vorne. Ein treibender Marsch-Rhythmus geleitet einen durch das Stück und lädt zum Kopfnicken im Takt ein. Mit „Hallomann“ gleitet das Album dann mit Melancholie und Weltschmerz verbreitender Stimmung gemäßigt aus und zurück bleibt ein Gefühl, dass sich das lange Warten nicht so sehr gelohnt hat.

    Klar, es ist ein waschechtes Rammstein-Album. Textlich und musikalisch geht es da weiter, wo „Liebe ist für alle da“ aufgehört hat. Kaum Experimente. Allerdings hat sich die Welt in den letzten zehn Jahren weitergedreht und das altbewährte Themenkarussell wirkt heute einfach ausgedient. Die lyrisch und metaphorisch ausgefeilten Texte in Kombination mit der politischen Thematik wären sicher ein Alleinstellungsmerkmal gewesen, wie eben bei „Deutschland“. Es wäre zumindest eine inhaltliche Neuausrichtung nötig gewesen. Naja, vielleicht 2029 dann.

    Foto: Universal Music

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