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    Dem österreichischen Familiendrama „Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein“ mangelt es nicht an Merkwürdigem, aber an Aussagekraft.

    Ein Bergsee. Ein wolkenverhangener Himmel. Ein mürrischer Junge und ein steifer Vater in einem Boot, nur wenige Meter vom Ufer entfernt. Es könnte ein sehr idyllisches Einstiegsbild sein, bis die Mutter sich ins Wasser stürzt. Ihr Sohn, der zwölfjährige Paul Silberstein (Valentin Hagg), ist ein merkwürdiger Junge in einem merkwürdigen Film. Entstammend einer alten, österreichischen Zuckerbäckerdynastie wächst er in wohlhabenden Verhältnissen auf dem schlossähnlichen Anwesen seines Vaters auf. Dieser, Roman Silberstein (Karl Markovics), ist ein verbitterter, strenger Mann, der vernarrt ist in die Idee aus seinem Sohn einen hochrangigen katholischen Geistlichen zu machen – ganz entgegen dessen eigenen Wünschen. Wie seine Mutter (Sabine Timoteo) fühlt Paul sich eingesperrt. Während es für sie das Herrenhaus ist, welches sie sich mit ihrem Mann teilt, ist Paul gezwungen in ein katholisches Internat zurückzukehren, wo sich der zu übertriebener Fantasie und Freigeist neigende Junge jede Menge Ärger einhandelt.

    Paul ist ein seltsames Kind, das seine Eltern ratlos macht.

    Die erste Hälfte des österreichischen Films „Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein“ ist in sehr düsteren Einstellungen gedreht. Wir sehen das einsame und bedrückende Leben Pauls im Elternhaus und dann den gleichfalls erdrückenden Alltag im Internat. So zieht sich das Familiendrama allmählich in die Länge. Nur die gelegentlichen Tollheiten Pauls, dessen naiver Übermut von Hagg glaubwürdig umgesetzt wird, hellen die ansonsten öde Handlung auf. Trotzdem entsteht der Eindruck, hier reihten sich nur eine Folge merkwürdiger Szenen aneinander. In einem Moment starrt Pauls Mutter ihn aufgrund seiner weltmännischen Weisheit ungläubig, beinah bewundert an, im nächsten tanzt sie mit ihm über die Balkone. Irgendwie wird dann auch noch der Holocaust thematisiert. Aber eigentlich geht es um eine jugendliche Liebesgeschichte. Das Bizarre des Films ist zwar verwirrend, aber gleichzeitig charmant. Die begeisterte Verspieltheit Pauls ist eingefangen in Szenen, in denen er auf das Dach des Internats klettert, um seiner Angebeteten per Papierflieger Botschaften zu schicken: Letztendlich schafft er es jedoch nur eine Nonne, die im Internat lebt, glauben zu machen, sie habe einen geheimen Verehrer. Plötzlich treffen fremde Onkel aus aller Welt ein und nehmen den jungen Paul unter ihre Fittiche. So magisch das klingt, bleibt am Ende des Films doch die Frage: Wozu das Ganze?

    Auch an romantischen Eindrücken mangelt es dem Film nicht.

    Liebe, Vaterkonflikt, Familienbündnisse, Landesgeschichte, Trauma und Krankheit: Das alles ist in „Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein“ zu einer seltsam verwirrenden Geschichte verflochten, die letztendlich daran scheitert, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die Figuren werfen mit Weisheiten nur so um sich, ohne, dass man am Ende das Gefühl hat, zu wissen, was man mit auf den Weg nehmen soll. Nach diesem Kinoerlebnis ist nur eine Sache wirklich sicher: Die spinnen, die Österreicher.

    Ab 25. April im Kino

    Fotos: Piffl Medien GmbH

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