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  • Internet-Retter lassen nicht locker

    Nach Verabschiedung der EU-Urheberrechtsreform regt sich weiter Widerstand in Europa. Auch in Leipzig gingen am Sonnabend wieder Hunderte auf die Straße.

    Am Samstagabend haben in der Leipziger Innenstadt mehrere hundert, vor allem junge Menschen unter dem Motto „Save the Internet“ gegen die vom EU-Parlament verabschiedete Urheberrechtsreform protestiert. Unter besonderer Kritik steht Artikel 13 (mittlerweile umnummeriert in Artikel 17), durch den Plattformen wie Facebook oder YouTube nun für Urheberrechtsverstöße ihrer Nutzer haften. Kritikern zufolge mache die schiere Masse der hochgeladenen Inhalte damit Uploadfilter unvermeidlich, welche aber im Zweifel auch ähnliche legale Inhalte wie etwa Parodien aussondern würden. Gegen die Reform waren in den letzten Wochen Hunderttausende in ganz Europa auf die Straße gegangen, in Leipzig am 23. März über 5.000 Menschen. Fünf Millionen hatten die zugehörige Petition unterschrieben. Ute Elisabeth Gabelmann, Leipziger Stadträtin für die Piratenpartei, kommentierte die Verabschiedung der Reform: „Es kämpfen hier nicht Nutzer gegen Urheber, sondern eine Generation mit Ahnung vom Netz gegen Leute, die damit hoffnungslos überfordert sind.“

    Die Straßen der Stadt musste sich die jetzige Kundgebung mit zwei anderen Demonstrationen gegen steigende Mieten teilen. Die zweite übergab nach 17 Uhr auf dem Markt den Staffelstab an die Veranstaltung für Internetfreiheit. Mit schätzungsweise 700 bis 800 Menschen statt der erwarteten 1.000 blieben die Zahlen deutlich hinter der Demonstration vor zwei Wochen zurück, die kurz vor der entscheidenden Abstimmung stattfand.

    Aufgewogen wurde die geringere Zahl durch eine große Anzahl kreativer Schilder und Banner, welche die Kritik an der Reform häufig in Form von Memes ausdrückten. Neben „Wir wollen keinen Artikel 13“ war „Nie mehr CDU“ deutlich der populärste Slogan.

    Demonstrierende auf dem Leipziger Marktplatz

    Unter den vielen kreativen Schildern war viel Kritik an der CDU zu erkennen – hier am Europaabgeordneten Axel Voss.

    In einer Rede vor Beginn des Demonstrationszuges zog die Fan-Art-Künstlerin Mirror einen Vergleich mit Kleinkindern: So wenig wie diese Satire oder Hommagen als solche erkennen können, so wenig könne dies ein Algorithmus. Daher seien von 10.000 gesperrten Inhalte im Schnitt nur 100 zu Recht gesperrt.

    Clemens-Sebastian Arnold von der Partei Die Humanisten warnte vor drohender Zensur, aber auch vor unnötigen Verschwörungstheorien, welche Gegner der Reform in die Arme der AfD treibe. Wut und Zorn reichten nicht, und es gelte, federführende EU-Politiker wie Axel Voss (CDU) sachlich zu überzeugen. Arnold rief auch zur Anschaffung von VPN-Klienten und Tor-Browsern auf, um drohende Sperrungen zu umgehen.

    Viele der Teilnehmer zeigten sich im Gespräch besorgt über geringere mediale Auswahl und mögliche Einschränkungen für beliebte YouTuber oder den im Videospielbereich populären Livestreamdienst Twitch. Trotz der Entscheidung des Parlaments hatten die Demonstranten ihre Hoffnung noch nicht aufgegeben. Die Umsetzung in nationales Recht stehe noch aus, so Felix (27), also bestehe noch eine „ganz kleine Chance“. Als „kleiner Urheber“ sieht er sich direkt bedroht, denn er lässt seine Kurzgeschichten regulär von anderen YouTubern einlesen, überlässt diesen aber im Gegenzug das Recht zum ersten Posting – eine Vereinbarung, die für einen automatischen Filter zu komplex sei.

    Ähnlich sieht es Nadine (24), Game-Design-Studentin in Leipzig. Zwar sollen auch Urheber wie sie und Felix durch die Reform besser geschützt werden, doch wachse im Gegenteil die Unsicherheit, da leicht Copyright-Ansprüche jeder Art behauptet und nur mühselig widerlegt werden könnten. Schon jetzt gebe es in ihrer Szene öfters Streit um ähnliche Farben oder bloße Posen von Figuren. Auf diese Weise werde das Verbreiten eigener Entwürfe sehr schwierig.

    Nach nur etwa einstündiger Demonstration bekräftigte der Schlussredner Jürgen Kasek (Grüne), den Kampf um eine freie Gesellschaft fortzusetzen, und verwies auf die Europawahl: „Abgerechnet wird am Ende!“

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