„Es braucht nicht noch einen weißen Bluesgitarristen zu unserer Zeit“
Wer in der Schulzeit schon beschließt, sein Leben der Musik zu widmen und damit mit Anfang 20 erfolgreich ist, muss das in sein Alltagsleben integrieren. Der Musiker Jesper Munk im Gespräch
Zu Beginn seiner Karriere wurde Jesper Munk als deutsches Wunderkind der Bluesmusik gehandelt. In diesem Jahr zeigt sich er mit seinem dritten Album „Favourite Stranger“ von einer ruhigeren, erwachseneren Seite. Redakteur Paul Schuler sprach mit ihm über das Musikbusiness, das Politische an Genres und die Freuden des Musikerlebens.
student!: Ist Jesper Munk ein cooler Künstlername oder einfach dänischen Ursprungs?
Munk: Das hat dänischen Ursprung, das steht so im Pass.
Häufig wird dir ein Blues- oder Soulgenre zugeschrieben. Allgemein könnte man sagen, dass diese Musik eher mit einem älteren Publikum verbunden wird. Glaubst du, dass du als junger Musiker durch deine Songtexte auch ein solches Publikum erreichen kannst?
Bei uns war es immer ziemlich durchgemischt auf den Konzerten. Von 17 bis 70 war alles vertreten. ’Ne gute Mischung. Es wurde mal etwas jünger zwischendurch, dann wurde es wieder ein bisschen ausgeglichener, jetzt sind mehr Leute meines Alters auf den Konzerten. Die älteren Besucher hatte es aber auch immer auf meinen Konzerten gegeben, wofür ich sehr dankbar bin, weil es nochmal ein anderes, interessanteres Feedback ist – sie haben ja auch mehr erlebt.
Wirst du auch auf die Texte angesprochen?
Ja. Es kommt immer ein bisschen darauf an, mit was man sich in einem Moment so identifiziert und wo man sein Augenmerk drauf legt und denkt „Ach, das gefällt mir, wie der Mensch seine Körpersprache einsetzt“ oder so. Ich kenn’s auch selbst von Konzerten. Egal auf welchem Level, jeder findet irgendwas.
Du bist eher zufällig zur Musik gekommen. Wann kam für dich die Überlegung: „Ja das möchte ich hauptberuflich machen“?
Eigentlich in der Schule. Damals war es halt noch ein unrealistischerer Gedanke. Ich habe Bass gespielt in ‘ner Band und ein paar Jungs von uns waren sehr besessen drauf einfach weiter zu machen, beziehungsweise einfach nicht viel anderes zu machen außer Musik. Was oft auch zu schlechten Noten geführt hat. Das ein oder andere Durchfallen war auf jeden Fall dabei. Das ist eigentlich aus einem relativ kindischen, oder jugendlichen Traum heraus entstanden mit dem einfach weiterzumachen und zu denken: „das wird schon irgendwie gehen“. Plan B war eher Gitarrenbauer, was mit den Händen anfangen.
Wie hat sich deine Erfahrung als Musiker verändert über die Zeit? Wie sehr siehst du das als Job an, oder vertraust du da deiner Kreativität?
Ich habe es schon relativ davon abhängig gemacht. Was inzwischen auch eher unüblich ist. Es wird im jetzigen System oder auch im Musikgeschäft an sich erwartet, dass Musiker viel organisierter sind und es auch schaffen über andere Medien zu kommunizieren, was sich auch ein bisschen widerspricht, weil Musiker oft Leute waren, die sich über Musik ausgedrückt haben, wenn sie es anders nicht geschafft haben. Heutzutage muss es das Gesamtpaket sein.
Ich glaube aber insgesamt habe ich es ganz gut hinbekommen es so zu gestalten, dass die Musik nicht dem Business hinterherläuft, sondern andersrum.
Du bist mit 26 in einem Alter, in dem viele Freunde studieren oder schon ins Berufsleben gestartet sind. Hast du manchmal das Gefühl etwas zu verpassen oder bereust du diese Richtung eingeschlagen zu haben?
Ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Ich hatte auch Phasen mit Schreibblockaden, in denen ich mich ein bisschen nach Sicherheit gesehnt habe, wo ich mir schon mal wieder vorstellen könnte, in einem „Nine-to-five-Job“ zu arbeiten. Mal wieder irgendwo in der Gastro zu arbeiten, einen geregelten Ablauf zu haben und nebenher zu versuchen zu schreiben. Aber es ist auch immer einfacher gedacht als getan. Es kommt mir nicht so vor als hätte ich wahnsinnig viele Dinge erleben können, die ich anders nicht hätte erleben können. Ich weiß nicht was ich in der Uni so verpasst habe, außer natürlich eine theoretische Fortbildung, was ich natürlich überhaupt nicht kleinschreiben will. Ich glaube das ist sehr wichtig, aber auch in Kombination mit Leben. Und so habe ich eine ziemlich große Portion Leben abbekommen und ein bisschen wenig theoretisches Wissen, aber ich glaube ich bin so ganz gut aufgehoben.
Schreibst du die Songtexte vor oder nach der Melodie? Gibt es da eine Regel für dich?
Es gibt keine wirkliche Regel. Ich mag es schon gerne zuerst einen Text zu haben, weil der Text viel von der emotionalen Welt vorgeben kann. Außer es dreht sich ums Riff und es hat mehr mit Attitüde oder Bewegung im Song zu tun, einer Richtung die er pusht. Sobald das etwas vager wird, macht es auch Sinn auf die Musik weiter einzugehen aber ich glaube, ich fange lieber mit Text an.
Das neue Album wirkt insgesamt ruhiger, zarter und etwas poppiger. Hast du keine Lust mehr auf Schreien wie bei den ersten beiden Alben, was diese etwas aggressiver klingen ließ?
Ich fand es auch aggressiver, etwas was auf dem neuen Album eigentlich gänzlich fehlt. Das war aber auch mal wieder wichtig in der Phase. Viel was um Bluesrock gehyped wurde, wurde ganz schnell zu so einem etwas komischen überkompensierenden Männlichkeitsgefühl. „Ich kann solche Musik machen, aber ich muss meine Männlichkeit dabei nicht auf’s Spiel setzen. Deswegen schreie ich jetzt hier rum, wie in diesen drei vorgegebenen Metriken, die ich schon kenne und in denen ich mich auch wohlfühle“. Und so habe ich mich eben vom Bluesrock wieder abgewandt, auch im Kontext als Cultural-Appropriation-Thema. Ich finde man muss ein bisschen aufpassen, wenn man sich solchen kulturellen Gütern bedient und muss mir eingestehen, dass ich auch oft dafür das Gewissen nicht hatte und einfach so Soul/Blues in meine Musik einfließen hab lassen. Aber es braucht nicht noch einen weißen Bluesgitarristen zu unserer Zeit.
Um das Interview wie dein Album mit dem Song namens „Joy“ zu schließen: Was ist die größte Freude am Musikerleben?
Die Perspektive. Ich kann mich darauf konzentrieren Perspektiven zu wechseln und Perspektiven zu sammeln. Und ich glaube die größte Freude an dem Ganzen ist, wenn man irgendeine Art von Wahrheit erkennt und man es schafft sich mit etwas zu verbinden, was in der Natur des Menschen liegt und man erkennt, dass seine Musik auch irgendetwas damit zu tun hat. Mit einer urtypischen Form von Kommunikation und Verbindung von Menschen zu tun zu haben. Manchmal passiert es live und manchmal beim Schreiben.
Die größte Freude ist es, die Zeit zu haben auf einer Perspektive so zu verharren. Ich habe aber nie das Gefühl, dass ich ganz fertig bin, sondern auch häufig das Gefühl, nicht genug zu machen. Diese Rastlosigkeit hört auch nicht auf. Ich habe nicht wirklich Feierabend, aber dafür mache ich halt ein Lied, ne? Da habe ich auf jeden Fall Glück gehabt.
Fotos: Lewis Lloyd
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