• Menü
  • Film
  • Arthouse-Aussichten

    Auf der Filmkunstmesse in Leipzig stellten die Verleihe Produktionen vor, die bald in den Kinos starten. Vorhang auf in den Passage Kinos, der Kinobar Prager Frühling, der Schauburg und dem Cineplex.

    Vergangene Woche fand von Montag bis Freitag in Leipzig die 18. Filmkunstmesse statt. Das über 1.100 Menschen zählende Fachpublikum hatte hier die Möglichkeit, insgesamt 75 Filme in über 120 Vorstellungen zu begutachten und sich in Seminaren auszutauschen. In den Abendvorstellungen öffnete sich der Leinwandvorhang auch für die filminteressierte Öffentlichkeit.

    Großes Thema auf der Messe war die Wettbewerbsfähigkeit der Kinos in Zeiten von Netflix und Co. Dazu fand am Dienstag ein politisches Panel statt, in dem die Kinobranche dafür warb, dass das im Koalitionsvertrag der Bundesregierung beschlossene „Zukunftsprogramm Kino“ finanziell gut ausgestattet wird. Christian Bräuer, Vorstand der AG Kino – Gilde und Veranstalter der Filmkunstmesse, hält 30 Millionen Euro jährlich an Bundesmitteln in den nächsten fünf Jahren für realistisch aber auch notwendig, um den Filmstandort Deutschland nach vorne zu bringen. Die anwesende Filmberichterstatterin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Yvonne Magwas findet auch, dass weitere Investitionen notwendig sind und will dafür sorgen, dass das Zukunftsprogramm Kino vielleicht schon 2019 zum Zug kommt.

     

    Filmempfehlungen von der 18. Filmkunstmesse in Leipzig

    Der Eröffnungsfilm „Boy Erased“ war so beliebt, dass trotz Branchenvorführung in zwei Kinosälen nicht alle Interessierten einen Platz ergattern konnten. Nach wahren Begebenheiten erzählt wird die Geschichte des 19-jährigen Jared Eamons (Lucas Hedges). Er nimmt auf Wunsch seiner Eltern an einem von der Kirche unterstützten Umerziehungsprogramm teil, um von seiner Homosexualität „geheilt“ zu werden. Die Geschichte ist dramatisch und zeigt Abgründe, die in den Filterblasen der meisten Menschen in Deutschland (hoffentlich) gar nicht existieren. Gerade das macht den Film aber so wichtig.

    Nicht nur in der Kirche ist Homosexualität ein Tabuthema, sondern auch im Profifußball. Das greift das Sport-Drama „Mario“ auf. Der Film fokussiert sich auf den inneren Kampf Marios (Max Hubacher), der sich zwischen dem Profifußball und dem öffentlichen Ausleben seiner Sexualität entscheiden muss. Man leidet mit dem Hauptcharakter und nicht nur einmal stellt sich die Frage, wie wir es zulassen können, dass die sexuellen Vorlieben über den Marktwert eines Sportlers entscheiden. Auf jeden Fall ein Film prädestiniert für Filmabende mit der Fußballmannschaft oder dem Fanclub.

    Nicht nur auf dem Platz ein Dreamteam: Mario und Leon

    Berater und Vereinsvorstand sind sich einig: „Man spielt nicht in der gleichen Mannschaft und vögelt miteinander. Das ist nicht professionell“ Foto: Copyright PRO FUN MEDIA

    Eine ganz andere Art der Filmerfahrung bietet hingegen „Under the Silver Lake“ von David Robert Mitchell. Mitchell, der sich mit seinem Erstlingswerk „It Follows“ bereits 2014 einen Namen als experimentierfreudiger Regisseur gemacht hatte, inszeniert nun in dieser abstrusen Mischung aus Komödie und Thriller sinnbildlich die Absurdität unseres Jahrzehnts. Der 33-jährige Sam (Andrew Garfield), gescheiterter Millenial in LA, erlebt und halluziniert in ambitionierten fast zweieinhalb Stunden eine irrwitzige Situation nach der anderen, um ein Mysterium aufzuklären, dem es am Ende zwar an Logik, aber nicht an Bildgewalt und fesselnden Wendungen mangelt.

    Fesselnde Wendungen hat auch „The Guilty“, Gewinner des Publikumspreises, zu bieten. Der dänische Thriller von Regisseur Gustav Möller ist ein aufreibendes Kammerspiel um den Streifenpolizisten Ager Holm (Jakob Cedergren), dessen letzter Strafdienst in der Notrufzentrale durch den Anruf einer entführten Frau lebensverändernd sein wird. Wie ein packendes Hörspiel ist der Ein-Mann-Thriller auf das reduziert, was Holm durch sein Telefon spricht und hört. Die Vorstellungskraft der Zuschauer ist dadurch so gefragt, dass man in keinem Moment etwas vermisst, sondern eher eine bekannte Film-Prämisse (The Call, Phone Booth, Buried) als noch emotionaler und eindrücklicher erlebt.

    Notruf der anderen Art: Das Gespröch ist verschlüsselt, um nicht aufzufallen.

    Erhöhte Schwierigkeitsstufe in der Notrufzentrale. Eine Entführte tut neben ihrem Entführer so, als würde sie mit ihrer Mutter telefonieren; Foto: Copyright Nikolaj Møller

    Zuletzt sei noch „Blue My Mind“, der Abschlussfilm der frisch fertig-studierten Schweizer Regisseurin und Drehbuchautorin Lisa Brühlmann, erwähnt. In dieser visuell gleichzeitig wunderschönen und grauenhaften Metapher für die Pubertät verwandelt sich die 15-jährige Mia (Luna Wedler) in ein Wesen, das ihr selbst und den Menschen um sie herum fremd ist und Angst macht. Die brutale Mischung aus Coming-Of-Age, Feminismus und Body-Horror ist manchmal nicht leicht zu ertragen aber dadurch umso bedeutungsvoller und unheimlich sehenswert.

     

    Filmstarts:

    Boy Erased – 21. Februar 2019
    Mario – 18. Oktober 2018
    Under the Silver Lake – 6. Dezember 2018
    The Guilty – 18. Oktober 2018
    Blue My Mind – 1. November 2018

     

     

    Titelfoto: Copyright AG Kino-Gilde e.V.

     

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.

    Verwandte Artikel

    Christian Grey als Katalysator für die eigene Liebesgeschichte

    Vier Freundinnen, die vor Ewigkeiten einen Lesezirkel gegründet haben und sich seitdem monatlich treffen, lassen sich in „Book Club – das beste kommt noch“ von „Fifty Shades of Grey“ inspirieren.

    Film | 12. September 2018

    Ich glaub’, es geht schon wieder los

    „Das darf doch wohl nicht wahr sein“, denkt sich unser passionierter Karnevalist und Kolumnist Hagen mit Blick auf den politischen Zirkus in Berlin. Die Narrenzeit scheint bereits begonnen zu haben.

    Kolumne | 23. September 2018