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  • Ich glaub’, ich träume

    Fliegen, Verstorbenen noch einmal begegnen oder Ballettfiguren im Schlaf üben? Wie man seine Träume bewusst gestalten kann, weiß Psychotherapeutin Tabea Plötz.

    Im Traum verarbeitet unser Gehirn viel mehr als wir am nächsten Morgen vielleicht denken. Wissenschaftler diskutieren heute über das Phänomen Klartraum, auch luzides Träumen genannt. Darin besitzt man völlige Klarheit über seinen Zustand und kann Erlebnisse im Schlaf selbst steuern. Wofür man das nutzen kann und wie das eigentlich funktioniert, darüber haben student!-Redakteurinnen Sophia Blochowitz und Nathalie Trappe mit Tabea Plötz geredet. Durch ihre Arbeit als Psychologin in Traumgruppen und jahrelange Studien im Bereich Schlaf hat sie viel über unsere nächtlichen Gedanken zu erzählen.

    student!: Kann man luzides Träumen erlernen?
    Plötz: Ja. Die meisten müssen es auch erlernen, die wenigsten können das von sich aus. Die am häufigsten eingesetzte Technik ist der Realitätscheck. Das heißt, dass ich mehrfach am Tag hinterfrage: Träume ich gerade oder bin ich wach? Zum Beispiel indem ich mir die Nase zuhalte und überprüfe, ob ich noch atmen kann. Im Traum kann ich noch atmen, im Wachen nicht. Es hilft auch einfach, sich mit dem Thema zu befassen und die Träume aufzuschreiben. Oder man redet morgens mit jemandem darüber, damit Träume Teil des Alltags und präsenter werden.

    Wie kann man das dann in den Traum übertragen?
    Wenn man etwas am Tag ganz besonders häufig und bewusst macht, begegnet es uns auch im Traum. Das merken wir, wenn wir für eine Prüfung lernen. Dann kommt der Inhalt vom Lernen auch irgendwann in unseren Träumen vor oder wir träumen, dass wir verschlafen oder durchfallen. Und so kommen wir auch zum luziden Träumen. Das heißt, es muss uns wichtig sein, wir müssen uns aktiv damit befassen.

    Wie lange dauert es ungefähr, luzides Träumen zu erlernen?
    Ganz unterschiedlich, je nach eigener Bereitschaft. Aber allgemein ist das innerhalb von Tagen, Wochen, maximal Monaten zu erlernen. Ausreichend Schlaf ist wichtig, um zu träumen und auch die Schlafumgebung spielt eine Rolle. Wer immer vier bis fünf Stunden schläft, befindet sich überwiegend im Tiefschlaf, aus dem heraus es schwierig ist, sich an Träume zu erinnern.

    Kann man theoretisch beim luziden Träumen lernen?
    Schlafen dient der Gedächtnisbildung, vor allem der Tiefschlaf in der ersten Nachthälfte ist essentiell fürs Lernen. Das luzide Träumen wird zusätzlich zum gezielten Lernen genutzt, vor allem für Fertigkeiten, gerade von Sportlern, die sich sehr komplizierte Bewegungen merken müssen, zum Beispiel bei Akrobatik, Ballett oder Turmspringen. Sie trainieren diese nachts im Schlaf und können sie dann am Tag sicherer ausführen. Inhaltliches im Schlaf zu wiederholen ist etwas kniffliger.

    Ist das nicht belastender für den Schlaf?
    Nein, wir träumen die ganze Zeit, das macht unser Gehirn, egal ob wir uns später daran erinnern oder nicht. Das ist nicht anstrengender. Ich persönlich finde es einfach spannender als nur zu schlafen.

    Wie läuft luzides Träumen wissenschaftlich gesehen ab?
    Es ist gelungen, Menschen in einem MRT (bildgebendes Verfahren Magnetresonanztomographie, Anm. d. Red.) schlafen und luzid träumen zu lassen, was sehr faszinierend ist. Man konnte sehen, dass beim luziden Träumen der Frontallappen unseres Cortex aktiv ist, was während des normalen Träumens nicht der Fall ist. Diese Region ist unter anderem für Selbstreflektion zuständig. Man hinterfragt selbst kritisch, ob man wach ist.

    Warum können wir eigentlich im Traum Dinge machen, die wir real noch nie erlebt haben?
    Weil wir uns Dinge vorstellen können. Unser Geist in der Lage, sich Dinge vorzustellen, die jenseits unserer Realität liegen. Diese Fähigkeit ist im Traum noch ausgeprägter. Die Vorstellungskraft für Dinge, die wir noch nicht erlebt haben, ist dementsprechend auch ausgeprägter.

    Kann man auch gemeinsam mit anderen träumen?
    Ja, es gibt kollektive Träume[1], aber nur ganz selten in unserer westlichen Welt. Das gibt es bei Naturvölkern und Stammeskulturen, die komplett voneinander abhängig sind und alles miteinander teilen: den Schlafplatz, das Essen, das gemeinsame Jagen. Der ganze Tag läuft gemeinsam ab und die können auch gemeinsam träumen. Sie begegnen sich im Traum, tauschen sich aus und träumen das Gleiche. Sie wissen dann auch, dass sie voneinander geträumt haben. Den Aborigines wird sogar nachgesagt, dass sie das Träumen eher als Realität ansehen als das wache Bewusstsein.

    Kann man negative Erfahrungen mit dem luziden Träumen machen?
    Negative Erfahrungen in Träumen treten meist in Form von Albträumen auf, in denen wir beispielsweise fliehen oder Angst haben. Aber sobald wir uns dessen bewusst sind, können wir den Traum steuern. Wir können den Traum verlassen, also uns entscheiden aufzuwachen oder den Traum dahingehend verändern, dass er angenehmer wird. Damit bietet das luzide Träumen auch eine gute Möglichkeit für Menschen, die unter Albträumen leiden.

    Kann Träumen uns kreativer oder konzentrierter machen?
    Träumen wird auf jeden Fall für Kreativität genutzt. Viele Erfinder und Forscher nutzen das Träumen, wenn sie an einer Fragestellung festhängen. Beim Träumen ist unser Denken eben breitflächiger. Das heißt, es ist assoziativer, wir sind nicht so begrenzt von diesem Wenn und Aber unseres täglichen Lebens. Und dadurch können uns im Traum Ideen oder Lebensmöglichkeiten in den Sinn kommen, an die wir im wachen Zustand nicht denken. Erfinder haben dafür beispielsweise den Schlüsselschlaf genutzt. Da hält man einen Schlüssel in der Hand und erlebt sich selbst beim Einschlafen. Zunächst geraten wir dabei in einen Halbschlaf, in dem das Denken schon assoziativ ist und dabei können wir über ein Problem sinnieren. Wir lassen den kreativen Prozess zu. Wenn wir dann aber in den richtigen Schlaf verfallen, erschlaffen unsere Muskeln, der Schlüssel fällt runter, klappert und wir wachen auf. So können wir das, was wir eben im Halbschlaf produziert haben, aufschreiben oder in die Tat umsetzen. Das nutzen Erfinder und Forscher.

     

    [1] Hier bezieht sich Plötz auf das Phänomen des Shared Dream, das bisher nicht wissenschaftlich bestätigt ist und unter Experten luziden Träumens umstritten ist.

     

    Foto: privat

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