Game Over, Mr. Spielberg
Steven Spielbergs Verfilmung des dystopischen Science-Fiction-Romans „Ready Player One“ möchte sowohl die junge Gaming-Generation als auch alternde Nostalgie-Nerds der 80er Jahre ansprechen.
Ob „Metropolis“, „Blade Runner“ oder „Black Mirror“ – auf Leinwand gebannte Dystopien erfreuten sich schon immer großer Beliebtheit. In ähnlichem Fahrwasser fährt nun auch „Ready Player One“. In einer nahen Zukunft, in der des Planeten Erde Rohstoffe weitestgehend ausgebeutet wurden, die Weltwirtschaft kollabiert ist und die Menschheit in stetig wachsenden Slums vor sich hin vegetiert, scheint der einzige Ausweg aus dieser Misere nur eines zu sein: „Oasis“. Eine für jeden zugängliche virtuelle Realität, in der nahezu alles möglich scheint und sich ein jeder eine neue Identität erschaffen kann. So auch der Teenager Wade Watts (Tye Sheridan), der in Columbus, Ohio in einer futuristischen Wohnwagensiedlung sein Dasein fristet, in der „Oasis“ aber mit seinem Alter Ego „Parzival“ die fantastischsten Abenteuer bestreitet und auf der Suche nach dem legendären „Easter Egg“ ist. Wer dieses findet, dem wird die volle Herrschaft und Verfügungsgewalt über die „Oasis“ und ein unermessliches Vermögen in der echten Welt versprochen. Doch ebenso wie Wade und Millionen anderer Menschen, möchte auch der skrupellose Nolan Sorrento (Ben Mendelsohn), Geschäfstführer von Innovative Online Industries, das versteckte „Easter Egg“ finden, um die gesamte „Oasis“ seinem Konzern profitreich einverleiben zu können.
All dies wird vom Altmeister des Popcorn-Kinos, Spielberg höchstpersönlich, äußerst trickreich und furios inszeniert und gibt uns einen verspielten Ausblick darauf, was uns in naher Zukunft im Rahmen virtueller Realität erwarten könnte. Doch offenbart der Film über seine mehr als zwei Stunden Spielzeit auch, dass hier trotzdem leider der völlig falsche Mann auf dem Regiestuhl saß. War Spielbergs Kameraführung und Dramaturgie für Indiana Jones und Jurassic Park perfekt, so lieblos und austauschbar fühlt sich streckenweise seine Inszenierung der virtuellen Realität an. Hier hätten wahrscheinlich Denis Villeneuve („Blade Runner 2049“) oder Neill Blomkamp („District 9“) ein besseres Gespür für Bild und Tempo bewiesen. Des Weiteren werden die Möglichkeiten und Szenarien, die die virtuelle Realität verspricht, von Spielberg nicht nur nicht ausgeschöpft, sondern nahezu gänzlich beiseitegelassen. „Matrix“ oder „Tron“ haben schon vor Jahrzehnten gezeigt, wie es richtig und anders geht. Treue Leser des Romans könnten hier mehr als nur enttäuscht werden, nicht nur, weil Buch und Film sich sowieso schon signifikant voneinander unterscheiden.
Denn ist das Buch auf jeder Seite zum Bersten mit popkulturellen Anspielungen gefüllt, sind diese auch zuhauf im Film wiederzufinden, doch dienen sie dort lediglich dem reinen Selbstzweck. Sehen wir auf der Leinwand den Master Chief aus „Halo“, erhaschen einen Blick auf Tracer aus „Overwatch“ oder wird das berüchtigte Lancer-Gewehr aus „Gears of War“ abgefeuert, so erwecken all diese Anspielungen zumeist den Eindruck, dass wir sie hier nur sehen, weil eine Armee aus Beratern im Hintergrund Spielberg dazu verpflichtet hat, diese in den Film einzubauen und nicht, weil der Filmschaffende sie als Teil seiner Vision gesehen hat. So verkommen die meisten Referenzen zu reinen Produktplatzierungen. Einzig Spielbergs Hommage an Stanley Kubricks Klassiker „The Shining“ im zweiten Akt des Films, zeugt wieder von dessen Erfindungsreichtum.
Zusätzlich sind ausnahmslos alle Charaktere derartig eindimensional und die Dialoge oftmals so peinlich geschrieben, dass man nur allzu oft vor Fremdscham im Kinosessel versinken möchte. Letztendlich scheut man sich auch nicht, überholte Klischees über „Nerds“ und „Gamer“ wieder aus der Mottenkiste zu kramen: fettleibig, liebesscheu und borderline-autistisch. Wie in den 80ern eben. Unterm Strich ist „Ready Player One“ unterhaltendes aber visionsloses und ziemlich dümmliches Popcorn-Kino.
In den Kinos ab: 5. April 2018
Fotos: Copyright Warner Bros. France
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