Die Gleichgültigkeit gegenüber der Wut
Mit Oathbreaker, die derzeit mit WIFE touren, hat sich Swansea Constellation im UT Connewitz eine spannend gegensätzliche Veranstaltung geholt, die sich genretechnisch weit in kommende Tage vorbeugt.
James Kelly in der Rolle von WIFE, seinem Soloprojekt nach und vor der Trennung von Altar of Plagues, steigt ohne jegliche Umschweife ein mit einem Doom-Techno Grollen, das begleitet wird von einem (wieder einmal) perfekt stimmigen Lichtgewitter (Danke, UT!). Wie die beiden EPs Stoic und Standard Nature es vormachen, versucht James Kelly seiner Stimme so wenig vorrangigen Raum wie möglich zu geben. Weit vornüber gebeugt wippt er sich Knöpfe drehend von der einen zur anderen Seite. Dass WIFE aus dem Black Metal kommt ist offensichtlich. Obwohl er an zwei Mixern steht, sind die (Bass-) Drops ganz andere als die, die ein oder eine Techno-DJ bevorzugen würde. Sie dröhnen und schwingen stärker. Häufig fallen sie auf die Synkope, wodurch sie jedes Mal wieder überraschend einschlagen und dem Set von WIFE eine schöpferische Dynamik verpassen. „Music that fucks with you“, würde Kelly sagen.
„They could have booked a very bad metalhead, but they took me“, teilte er beim Konzertbeginn von der Bühne aus mit. Er sei froh darüber, vor Oathbreaker spielen zu dürfen. Was James Kelly zusammen mit seinen ehemaligen Bandkollegen von Altar of Plagues mit Oathbreaker gemeinsam hat(te), ist der neuartige Hang zum Experimentieren zwischen Black Metal und Shoegaze, wie es die Leute vom Fach sagen. Sowohl Kelly, als auch Oathbreaker widmen sich in ihrem derzeitigen musikalischen Schaffen einer Musik, die inspiriert, geschult und ausgehend ist von Black Metal, sich jedoch diejenigen Elemente herausnimmt, die sie zum Entwerfen eines neuartigen Hybrids benötigt. Kellys Begierde nach noch experimentellerem Wirken, als es mit Altar of Plagues möglich war, spiegelt sich in seiner aktuellen EP Standard Nature wider. Ihr fehlt es nicht an Aggressivität. Auch in ihrer Zurückgezogenheit gleicht sie dem Charakter der einen oder anderen Metal-Platte. Was Kelly sich hierfür zunutze macht, ist neben maschinellen, metallischen Sounds die Organik von übereinander gelayerte Außen- und Naturaufnahmen.
Oathbreaker dagegen werden von Platte zu Platte doomiger, flächiger, teilweise melodischer und gönnen sich stellenweise die einen oder anderen Ruhepausen. Frontfrau Caro Tanghes Scream durchläuft eine Evolution vom durchgängig brutal wütenden metal-shriek hin zur Ergänzung dessen durch einen jammernden, zerbrechlich melodischen Gesang, der an Stellen ins Tremolo übergeht. Caro Tanghes, in einen schwarzen, weiten Poncho gekleidet, ist ohne Zweifel das Herzstück der Band. Sie gibt die Energie vor.

Frontfrau Caro Tanghes strahlt eine wundersame Mischung aus Stärke und zerbrechlicher Tiefgründigkeit aus
Keine fünf Minuten nach Abklingen der letzten Schallwellen kommt ein unbekannter Kerl angerannt und muss dringlich über das Konzert sprechen. Ob mir das gefallen hätte, fragt er. Die hätten ja völlig ihren Flow verloren, sagt er. Ein Anhänger der alten Schule, also. Frage und Aussage sind berechtigt. Es kann irreführend und verärgernd für den typischen oder die typische Metal-Head sei, wenn eine Band auf einmal ihren Kurs ändert und wie schon in der aktuellen LP Rheia, kontrolliert, fast systematisch von exzentrischen zu träumerischen Passagen umschwingt. Wer full-on ‚Gedresche’ erwartet hatte und stattdessen diese beinahe soften, kräuselnden Klänge, diese dichte, reiche Stimmung um die Ohren gebunden bekommt wie Watte, der darf sich zu recht ärgern. Musikalische Genese ist allerdings auch legitim. Und im Fall von Oathbreaker scheint der neue Stil die Band selbst emotional zu erfüllen. Thematisch widmen sie sich nun konkreten Problemen und Ängsten, gehen über eine vage Unzufriedenheit, ein vages Unbehagen gegenüber sich und der Welt hinaus.
Doch nicht alles an diesem Abend ist neuartiger Natur. Das UT-Publikum steht dem Voract erneut äußerst skeptisch gegenüber. Als Oathbreaker beginnen ist es knapp drei Mal so voll wie bei WIFE (Na, klar. Auf den letzten Drücker kommen fetzt). Ein bescheidenes und in sich gekehrtes Auftreten der Acts ist selbstredend. Auch, dass Oathbreakers Tourbus vor der Tür steht und sich um den Merch eigenhändig gekümmert wird ist keine Ehrensache, sondern die Gleichgültigkeit gegenüber der Wut.
Fotos: Lale Sabchi


Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.