Arie an einen musikalischen Härtefall
Das klassisch-charmante Portrait der Florence Foster Jenkins
Skurrile Fälle der Musikgeschichte sind gerade hoch im Kurs. Egal ob der Songwriter Sixto Rodriguez oder der Folkmusiker Nick Drake: Das Interesse an verkannten Genies außerhalb der großen Plattenverkäufe ist mächtig gestiegen. So ist es auch mit Florence Foster Jenkins, deren Leben von Stephen Fears mit Meryl Streep in der Hauptrolle verfilmt wurde. Ab dem 24. November ist der Film auch in den deutschen Kinos zu sehen.
Im New York der 1940er-Jahre pulsiert das kulturelle Leben. Die alternde Erbin Florence Foster Jenkins (Meryl Streep) ist in der Musikszene der Stadt bereits als Mäzenin der klassischen Musik und Gründerin des exklusiven „Verdi Clubs“ bekannt. In diesem Opern-Fanclub präsentiert sie unter der Leitung ihres Ehemann St. Clair Bayfield (Hugh Grant) in ausgeschmückten Bühnenbildern ihre besten Kostüme. Schnell findet die ehemalige Pianistin Gefallen am Bühnenleben. Nachdem sie bei einem klassischen Konzert die berühmte Sopranistin Lily Pons singen gehört hat, ist ihr neuer Lebenstraum klar: Sie muss Opernsängerin werden! Sofort nimmt sie Gesangsunterricht und wirft sich mit Passion in die Welt des Operngesangs. Dabei gibt es nur ein Problem: Madame Jenkins kann auf Biegen und Brechen nicht singen. Das hindert sie trotzdem nicht daran, in ausgewählten Kreisen bei Champagner und Kaviar schiefe Arien zu trällern. Da kein Pianist dieses musikalische Massaker lange aushält, ist Jenkins mehr als erfreut, den Pianisten Cosmé McMoon (Simon Helberg) bei einem Casting kennenzulernen. Der unbedarfte Musiker hat anfangs noch keinen Schimmer, welchen musikalischen Härtefall er da von nun an begleiten soll. Jenkins hält sich zweifelsohne für eine grandiose Bühnendiva. Während ihr Ehemann sich mit der Klavierlehrerin Kathleen (Rebecca Ferguson) vergnügt, bannt Jenkins ihre musikalisch fragwürdigen Fähigkeiten auf Platte und träumt von der großen Bühne: Ein Auftritt in der Carnegie Hall ist geplant. Obwohl McMoon beim Gedanken, sich mit Jenkins auf der Bühne zu blamieren die Knie schlottern, wendet sich das Blatt. Madame Jenkins‘ Aufnahmen werden ein komödiantischer Hit und laufen sogar im Radio. Der geplante Spießrutenlauf für Jenkins und McMoon auf den Brettern der Carnegie Hall könnte doch zum Erfolg werden.
Mit Witz und einem Auge fürs Detail inszeniert Stephen Fears, der schon mit Filmen, wie „Die Queen“ bekannt wurde, die merkwürdige Tragikomödie rund um die talentlose, träumerische Opernsängerin. Bereits 2015 kam der Film „Madame Maguerite oder die Kunst der schiefen Töne“ in die Kinos, der lose auf dem Leben von Madame Jenkins beruht. Zu Recht ist die Geschichte der talentlosen Sängerin gerade heute populär: Die skurrile Geschichte klingt wie aus einer Comedyshow. Doch genau hier macht Fears einen wichtigen Schritt: Obwohl Foster Jenkins im Film als talentlose Sängerin porträtiert wird, muss der Zuschauer sich an keiner Stelle fremdschämen. Alles wirkt natürlich.. Ein Grund dafür ist sicherlich auch die großartige Besetzung. Dass Meryl Streep grandios schauspielert, ist natürlich bekannt. Für Streep als gute Sängerin waren genau die Szenen mit schiefem Gesang eine große Herausforderung. Jemanden zu spielen, der nicht singen kann, es aber auf Teufel komm raus versucht, ist mehr als kompliziert. Auch der Rest der Besetzung ist Gold wert. Hugh Grant, den man sonst nur als naiven Romantiker aus Liebeskomödien kennt, verkörpert den Ehemann der Diva mit großer Authentizität als gefallenen Schauspieler in einer Lebenkrise zwischen Champagner und Ehebruch. Sehr zu loben ist auch Nina Ariana, die die frivole Ehefrau des wohlhabenden Mr. Stark köstlich in Szene setzt. In diesem Film stiehlt jedoch einer allen anderen die Show: Simon Helberg. Er stellt mit seiner Verkörperung des Pianisten Cosmé McMoon einfach alles andere in den Schatten. Der verunsicherte und dennoch ehrgeizige Texanische Pianist hätte leicht in eine quirlige Nebengestalt verwandelt werden können. Hier werden aber vor allem die kleinen Augenblicke zu wahren Höhepunkten. Simon Helberg, den man vorher nur als den nerdigen Freak Howard Wolowitz aus der US-Sitcom „The Big Bang Theory“ kennt, blüht hier überraschenderweise völlig auf.
„Florence Foster Jenkins“ wirkt auf vielen Ebenen. Der Film ist natürlich, lustig, dramatisch und unterhaltsam. Die Geschichte ist absurd und trotzdem basierend auf wahren Begebenheiten und kaum eine Altersgruppe wird vernachlässigt. Dank des großartigen Castings wird dieser Film zu einem Werk, das seinen Fuß bereits in der Tür zur nächsten Oscarverleihung hat. Definitiv einer der besten (wenn nicht der beste) Film 2016.
Fotos: Constantin Film Verleih


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