• Menü
  • Kultur
  • Studium nach Flucht

    Die Hochschule für Grafik und Buchdruck bietet Kurse für Geflüchtete

    Sara und Ahmad sitzen mir gegenüber. Beide stammen aus Syrien. Beide sind vor wenigen Jahren nach Deutschland geflüchtet. Die Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig gibt ihnen die Chance, ihr abgebrochenes Studium wieder aufzunehmen. Die Idee für die Initiative entstand im Oktober letzten Jahres. Unter der Leitung der damaligen Rektorin Ana Diemke und Professor Rayan Abdullah engagierten sich Studierende, Mitarbeiter und Professoren und stellten bis zum Sommer 2016 die „Akademie für transkulturellen Austausch“ auf die Beine. An einer Kennenlernwoche im Sommer nahmen 21 junge Kunstinteressierte mit Migrationshintergrund teil, probierten sich in Workshops aus und unterzogen sich einem ersten Auswahlverfahren. 15 angehende Studierende, von denen fünf nun bereits an der Hochschule immatrikuliert sind, wurden für den Stu­diengang ausgewählt. Sie nehmen an einem Programmstudium teil, welches für sie mit weniger Unterrichtseinheiten entwickelt wurde, aber komplett in das Hochschulprogramm integriert ist. Nach dieser ersten Etappe können sie regulär studieren und erwerben am Ende ihrer Studienzeit einen berufsqualifizierenden Abschluss.
    „Dadurch hat man Chancen auf gute Arbeit in Deutschland“, sagt Ahmad, der bereits seit zwei Jahren in Deutschland lebt. In Syrien hat er seine allgemeine Schulbildung abgeschlossen. Studieren kann er jetzt in Deutschland. Auch Sara ist begeistert vom Angebot der Hochschule. In Syrien studierte sie Grafikdesign und erzählt von den Unterschieden: „In Deutsch­land ist vieles anders als in Syrien. Die Kunst hier erscheint mir zeitgenössischer und ich kann mehr mit moderner Technik arbeiten.“  Ahmad und Sara helfen sich gegenseitig beim Übersetzen, so funktioniert das auch im Unterricht, der auf Deutsch gehalten wird. Es sei wichtig, alle Studierenden gemeinsam und in der gleichen Sprache lernen zu lassen. „Die Betonung der Initiative liegt auf dem Wort ‚Aus­tausch‘“, sagt Tobias Klett, Student und Mitglied der Organisationsgruppe. „Die Kulturen stoßen nicht aufeinander, sondern bereichern sich gegenseitig. Das ist ein Geben und Nehmen.“ Begleitend können die Studierenden an kostenlosen Deutschkursen teil­nehmen, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Ihre deutschen Kommilitonen wollen außerdem ein Wörterbuch mit allen wichtigen Fachbegriffen erstellen.

    Gemeinsames Mittagessen

    Gemeinsames Mittagessen

    Aller Anfang ist schwer, und so hat auch das Organisationsteam mit Hindernissen zu kämpfen: „Eine der größten Hürden ist die Bürokratie“, sagt Tobias. Hinzu kommt die Residenzpflicht, welche bisher zehn der 15 Kursteilnehmer noch daran hin­dert, ordentlich am Kurs teilzunehmen. Finanzielle Unterstützung sei eine weitere Baustelle, so Henriette Repmann, ebenfalls im Organisationsteam. Da für die ge­flüch­teten Studierenden keine Studiengebühren anfallen, werden auch Sponsoren, Sachspenden sowie handwerkliche Unterstützung benötigt.
    Dennoch ist das Projekt erfolgreich angelaufen und das nicht zum letzten Mal: „Unser Programmstudium ist nichts Temporäres, sondern langfristig angelegt. Bereits jetzt gibt es viele Anfragen für die nächsten Jahre“, bestätigt Henriette. Sara und Ahmad können in Leipzig Fuß fassen. „Es ist gut in Deutschland weiter zu lernen und mit Deutschen zusammen zu lernen. Aus einer arabischen und einer deutschen Kultur entwickelt sich vielleicht ein gemeinsames Kulturgut“, sagt Ahmad und lächelt.

     

    Fotos: Johanna Terhechte

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.