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  • „Diesen Verein kriegt man einfach nicht weg“

    1. FC Lokomotive Leipzig Trainer Heiko Scholz über Tradition, Konkurrenz und Zukunft.

    Während Rasenballsport (RB) Leipzig vor kurzem den Aufstieg in die erste Fußballbundesliga perfekt machte, feiert der 1. FC Lokomotive Leipzig vier Klassen niedriger ebenfalls große sportliche Erfolge. Die Mannschaft aus Probstheida blieb in der aktuellen Oberliga-Saison noch ohne Niederlage und ist damit klar auf Aufstiegskurs. student!-Redakteur Jonas Nayda traf den Erfolgscoach und ehemaligen Nationalspieler Heiko Scholz zum Interview.

    student!: Herr Scholz, heute sind Sie Trainer, von 1986 bis 1990 waren Sie Spieler für den 1. FC Lokomotive Leipzig. Was hat sich im Vergleich zu damals geändert?
    Scholz: Das Stadion, die Umkleiden, die Halle, das ist alles noch alte Substanz. Viele Freiwillige halten das Gelände in Schuss und haben es auch in den Jahren gepflegt, als es dem Verein wirtschaftlich sehr schlecht ging. Es ist ein wirklich sehr schönes Gelände, um das uns viele Vereine beneiden würden. Die Tradition ist geblieben. Diesen Verein kriegt man aus Leipzig einfach nicht weg.  Mich reizt an dieser Situation, dass man so vieles noch bewegen kann. Wir gehen stetig voran, bauen das Sponsoring aus, um eine ordentliche Mannschaft aufs Feld schicken zu können und wir können mit Fördermitteln am Stadion arbeiten, so dass wir unseren Zuschauern auch etwas bieten können. Der aktuelle sportliche Erfolg zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

    03.04.2016,Leipzig,Fussball,Bruno Plache Stadion,NOFV Oberliga Sued,Punktspiel 1.FC Lok Leipzig-FC Energie Cottbus II 5:0(2:0) Im Foto:Lok Trainer-Heiko Scholz Rechte:Bernd Scharfe

    Heiko Scholz, Trainer bei Lok seit 2013

    student!: Momentan spielt die erste Herrenmannschaft in der Oberliga. Das ist die fünfthöchste Spielklasse in Deutschland. Beschäftigt der Verein Profifußballer?
    Scholz: Noch sind es alles Amateure. Die Jungs gehen nebenbei arbeiten. Wir kochen natürlich auf einer kleinen Flamme. Aber wir haben das große Ziel, in fünf bis sechs Jahren vielleicht sogar in die dritte Liga aufzusteigen. Wir wollen in Leipzig neben RB die zweite Kraft bleiben.
    Man muss allerdings immer wachsam sein, denn die Konkurrenz schläft nicht. Der FC International Leipzig beispielsweise hat sehr gute Spieler, die teilweise schon unter Profibedingungen arbeiten.
    Ich denke aber, dass wir mit unserer riesigen Fanschaar von durchschnittlich 3.000 Menschen pro Heimspiel durchaus regionalligareif sind. Es ist wichtig, dass wir den Aufstieg schaffen und dann auch ein paar Jahre oben bleiben können, um die nächsten Schritte zu planen. Wir haben noch einen langen Weg und viel, viel Arbeit vor uns.

    student!: Wie ist das Verhältnis zum Konkurrenten RB Leipzig?
    Scholz: Nach den schwierigen Anfangsjahren ist es jetzt etwas ruhiger geworden. Ich persönlich habe ein ganz ordentliches Verhältnis zu RB. Auch unsere Fans haben begriffen, dass wir mit dem Geld von RB nicht mithalten können. Aber das tut uns nicht weh. Im Gegenteil, es kommen immer wieder ehemalige Jugendspieler zurück zu uns, die zwischenzeitlich bei RB gespielt haben, aber nicht in eine andere Stadt wollen, wenn RB sie nicht mehr braucht. Ich sehe da absolut kein Problem zwischen den beiden Vereinen.

    student!: Macht ein mächtiger Geldgeber wie Red Bull den Sport kaputt oder ist das die einzige Chance, richtig hochklassigen Fußball zu bekommen?
    Scholz: Der Verein Rasenballsport Leipzig wurde neu gegründet. Das ist keine Tradition. Aber in der Bundesliga ist es leider heutzutage so, dass ohne Geld nichts läuft. Das betrifft viele alte Traditionsvereine. In der ersten Liga spielen heute neu gegründete Vereine wie Ingolstadt (2004 Anm. d. Red.) oder Hoffenheim (Profifußball 2005 neu gegründet Anm. d. Red.), die alte Vereine wie Stuttgart oder Bremen verdrängen. Vor zehn Jahren hätte das niemand für möglich gehalten. Aber es geht auch anders herum. Das zeigt beispielsweise Darmstadt, die salopp gesagt aus Scheiße Gold gemacht haben und ohne großes Geld in der Bundesliga die Klasse halten. So etwas passiert aber immer seltener und es braucht viel Glück dazu.

    student!: Warum hatten und haben es die alten Ost-Vereine so schwer, in der Bundesliga Fuß zu fassen?
    Scholz: Die Infrastruktur in den alten Bundesländern ist einfach besser. Es sind zwar nach der Wende viele Investoren hierhergekommen, aber die Haupt­sitze sind und bleiben im Westen. Damals wollte kein guter Spieler in den Osten. Heute sind die Städte viel attraktiver geworden. Nach Leipzig, Dresden oder Berlin will jetzt jeder. Vor 25 Jahren war die Lage ganz anders. Auch die Jugendarbeit war früher anders. Wenn heute ein kleiner Verein ein Talent hervorbringt, wird das sofort von den Großen weggekauft. Leistungssport beginnt heute schon sehr früh.

    student!: Wie war das bei Ihnen damals? Sie sind nach der Wende zu Bayer Leverkusen gewechselt.
    Scholz: Als Schüler habe ich einige Jahre in einem Sportinternat in Dresden 100 Kilometer von Zuhause weg gelebt. Man sagte mir damals, dass ich zu klein für einen Fußballer sei. Deshalb habe ich nach der Schule eine Lehre zum Instandhaltungsmechaniker gemacht. Ein Scout von Chemie Leipzig hat mich aber dann eines Tages durch Zufall entdeckt und zum Probetraining nach Leipzig eingeladen. Dort habe ich mich dann entwickelt und bin auch noch etwas größer gewachsen. Nach dem Abstieg von Chemie aus der DDR-Oberliga war ich dann bis 1990 beim 1. FC Lok Leipzig aktiv.

    Scholz Ende der 80er Jahre im Lok-Trikot

    Scholz Ende der 80er Jahre im Lok-Trikot

    Nachdem ich bis 1992 bei Dynamo Dresden in der Bundesliga gespielt habe und mir meinen Kindheitstraum von „Gelb-Schwarz“ erfüllt habe, haben verschiedene Vereine aus dem Westen um mich geworben. Uns Spieler hat dann einfach das Geld gelockt. Da konnte man nicht nein sagen. Leverkusens Manager Reiner Calmund hat mich mit seiner Art zu verhandeln einfach überzeugt. Außerdem haben in Leverkusen bereits einige andere ehemalige DDR-Stars gespielt, mit denen ich auch durch die Nationalmannschaft schon ein gutes Verhältnis hatte.
    student!: Lok Leipzig steht kurz vor dem Aufstieg in die Regionalliga. Wie sieht die Planung für die kommende Saison aus?
    Scholz: Der Mannschaftsetat wird sich nicht groß ändern. Wir werden uns mit ein paar neuen Spielern verstärken, so dass wir mit etwa 23 Mann in der Regionalliga starten können und den Klassenerhalt schaffen. Zum Auswärtsspiel nach Gera vor zwei Wochen sind über 1.000 Fans von uns mitgekommen. Das ist etwas ganz besonderes. So einen Schnitt schaffen nicht mal alle Bundesligisten. Diesen Schwung wollen wir in die Regionalliga mitnehmen. Dadurch wollen Spieler auch gerne zu uns hierher wechseln. In Leipzig ist immer etwas los. Das merkt die ganze Liga. Wir machen ordentliche Arbeit. Viele Ehren­ämter und viel freiwilliges En­gagement, das macht unseren Club aus. Wir sind eine Familie.
    student!: Wie stehen Sie zu den immer wieder vorkommenden Ausschreitungen von Fans, die beispielsweise im Sommer 2015 in Erfurt mit einem Platzsturm einen Spielabbruch provozieren wollten?
    Scholz: Sowas gibt es überall. Auch vor 25 Jahren gab es schon Schlägereien neben dem Fußballplatz. Sogar heute kommt das noch in der Bundesliga vor. Nur wird es eben nicht immer sofort in den Medien berichtet.
    Für die Ausschreitungen in Erfurt konnten wir nichts. Die Sicherheitskräfte dort haben einfach nicht gut kontrolliert und teilweise bekannte Straftäter mit Stadionverbot hereingelassen. Da stehen wir als Verein dann am Ende blöd da, weil wir dagegen nichts tun können. Das ist traurig für unsere treuen Fans, aber ich denke nicht, dass die Situation wirklich bedrohlich ist.

     

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    Fotos: Lok Leipzig

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