• Menü
  • Kultur
  • Singende Blutsauger

    „Dracula“, die neue Produktion der Musikalischen Komödie versprach mehr als sie halten kann.

    Motiviert durch den Anspruch, Weltliteratur in Musicalform auf die Bühne zu bringen, inszenierte Chefregisseur Cusch Jung nach dem Erfolg von „Jekyll und Hyde“ und „Der Graf von Monte Christo“ mit „Dracula“ ein weiteres Stück aus der Feder des amerikanischen Komponisten Frank Wildhorn. Beruhend auf Bram Stokers Gothic-Epos, das damals nicht nur literarisch Maßstäbe setzte, sondern dem Mythos Vampir auch neue emotionale Facetten hinzufügte, erzählt auch das Musical eine Geschichte, die über bloßen Grusel hinausgeht.

    Regisseur Jung legte besonderes Augenmerk auf die Liebesgeschichte zwischen Graf Dracula und Mina, die seiner tragisch vor Jahrhunderten ums Leben gekommenen Liebe Elisabetha zum Verwechseln ähnlich sieht. Bei Jonathan Harker, Draculas Anwalt und Minas Verlobten, erblickt der Graf ein Bild von ihr und es gelingt ihm, durch ihre Seelenverwandtschaft eine telepathische Verbindung aufzubauen. Er ist sich sicher, dass Mina die Widergeburt seiner verlorenen Elisabetha ist und will sie finden. Auf dem Weg vom finsteren Transsylvanien zu ihr nach London hinterlässt er eine blutige Spur und verwandelt Minas beste Freundin Lucy in einen Vampir. Erst durch Lucys Verehrer und die Hilfe von Professor Van Helsing gelingt es, dem Schrecken Einhalt zu gebieten und Dracula aus England zu vertreiben. Mina, die seine Gefühle mittlerweile erwidert, möchte ihm in die Dunkelheit folgen und auch zum Vampir werden. In der tragischen letzten Szene erkennt Dracula schließlich, dass er ihr so ein Dasein nicht antun kann und bittet sie, ihn zu erlösen. In einer innigen Umarmung erfüllt Mina ihm schließlich seinen letzten Wunsch mit einem Stich ins Herz.

    Musikalische Komödie Leipzig GP "Dracula" am 14.04.2016 Foto Tom Schulze tel. 0049-172-7997706 mail post@tom-schulze.com web www.tom-schulze.com

    Chor und Ensemble der Musikalischen Komödie

    Anders als der Roman und die Broadway Version spielt Jungs „Dracula“ nicht im schummrig-schaurigen viktorianischen Zeitalter, sondern einer düsteren Version der 30er Jahre, die sich in Kostüm und Bühnenbild wiederfindet. So kommt der Graf hier in Pelzmantel und Anzug daher und die langsam zum Vampir mutierende Lucy wälzt sich in einem Art-Deko Bett. Stilistisch funktioniert dieser Epochenwechsel ganz gut und gibt den Figuren eine gewisse Mondänität, jedoch sind die meisten Szenen optisch zu simpel und fast billig gehalten, wodurch „Dracula“ in Sachen Bildgewalt nicht an Jungs andere Produktionen heranreichen kann.

    Bereits der Beginn ist leider eher enttäuschend, da eine animierte Videoprojektion die Vorgeschichte der Handlung erläutern soll. Es kommt wohl recht selten vor, dass das Publikum erst eine PowerPoint-ähnliche, schriftliche Erklärung zum Stück über sich ergehen lassen muss, bevor jemand die Bühne betritt. Natürlich ist nicht davon auszugehen, dass jeder im Saal Bram Stokers Gothic-Epos „Dracula“ kennt, jedoch ist diese Art der Darstellung einfach nur eine schludrige und unkreative Lösung. Auch der Rest der Inszenierung kann leider nicht überzeugen. Durch teilweise unlogische Dialoge und Szenen, die stilistisch und erzähltechnisch nicht kohärent sind, wirkt die ganze Produktion eher lieblos und dem Stoff nicht angemessen.

    Selbst Andreas Wolfram in der Hauptrolle, der als Doctor Frank ‘n Furter in der Rocky Horror Picture Show schon seit Jahren eindrucksvoll über die MuKo-Bühne stöckelt, gelingt es erst in der letzten Szene die Komplexität von Graf Draculas Charakter darzustellen und ist ansonsten überraschend uncharismatisch. So nehmen seine Schauspielkolleginnen mit ihren Darbietungen die eigentlichen Hauptrollen ein. Lisa Habermann (Mina), Anna Preckeler (Lucy) und Sabine Töpfer als Draculas geisteskranker Gehilfe Renfield sind gesanglich und schauspielerisch die Lichtblicke des Stücks.

    Auch die musikalische Ähnlichkeit zwischen Wildhorns grandiosem „Jekyll und Hyde“ sorgt eher nicht für Widererkennungswert, sondern macht das Stück nur noch weniger originell. So ist es Cusch Jung leider nicht gelungen, an die Qualität früherer Produktionen anzuknüpfen, was „Dracula“ nur für große Vampirfans und noch unerfahrene Musicalgänger empfehlenswert macht.

    Karten sind online und an der Opernkasse für zwischen 12€ und 35€ erhältlich oder mit der Juniorcard für 8€ ab 15 Minuten vor Vorstellungsbeginn an der Abendkasse zu erwerben. Kompletter Spielplan hier.

     

    Flattr this

    Fotos: Tom Schulze

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.