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  • „Setz dich hin und schreib“

    Wie wird man eigentlich Autorin und welchen Hindernissen muss man sich stellen? student!-Redakteurin Nina Lischke hat Schriftstellerin Sameena Jehanzeb auf der Buchmesse getroffen.

    Sameena Jehanzeb ist ein Musterbeispiel für jemanden, der berufliches Glück gefunden hat. Beim kreativen Ausleben auf allen Ebenen verfolgt die Designerin, Illustratorin, Bloggerin und Schriftstellerin vor allem ein Ziel: Den eigenen Weg gehen.

    Zwei Fantasy-Bücher brachte Sameena Jehanzeb bisher auf den Markt: „Brïn“, bei dem es sich um den gleichnamigen Planeten sowie das Schicksal zweier Frauen dreht, „die über Raum und Zeit miteinander verbunden sind“ (erschienen 2017 im Butze Verlag) und „Winterhof“, dessen Handlung auf dem Märchen der ‚Schneekönigin‘ aufbaut und daraus eine neue Erzählung spinnt, die nicht unbedingt gut ausgehen muss (erschienen 2018 im Zeilengold Verlag).

    Autorin Sameena Jehanzeb sitzt bei einem Interview auf dem Boden.

    Autorin Sameena Jehanzeb beim Interview auf der Leipziger Buchmesse

    student!: Wie bist du zum Schreiben gekommen?

    Jehanzeb: Oh, schwierige Frage. Ich habe immer schon kontinuierlich geschrieben seit ich das ABC gelernt habe, dann während des Studiums mal ausgesetzt wegen Zeitmangel. Ich war damals im Forum Bibliotheka Phantastika aktiv, einem Forum zum Austausch über Fantasyliteratur. Da waren auch Autoren wie Simone Heller, die zum Beispiel für Random House übersetzt. Wir haben uns zu einem kleinen Grüppchen zusammengefunden und Geschichten geschrieben, uns untereinander ausgetauscht und irgendwann für Schreibtreffen verabredet, eine Woche in einem Häuschen im Wald gewohnt und kreativ ausgelebt. So wurde ich unerwartet besser. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem meine Freundinnen mein Skript zu „Brïn “ gelesen haben und nicht mehr aufhören wollten. Ich habe mich dann etwas wiederstrebend dazu breitschlagen lassen, das Skript bei Verlagen einzuschicken.

     

    Hast du jemanden, der dich nebenher im Schreibprozess begleitet, der mal einzelne Sequenzen liest?

    Nee gar nicht. Ich gehöre zu den Leuten, die nichts rausgeben, bevor sie nicht selbst damit zufrieden sind. Ich lese die Texte unheimlich oft und erst wenn ich sagen kann, das ist rund, gebe ich es an meine treuen Schreibfreundinnen. Wenn die noch sagen: „Ja Sam, haste gut gemacht“, gebe ich es weiter an Verlage.

    Was empfindest du als Schwierigkeit beim Schreiben?

    (lacht) Wenn man eine grobe Idee im Kopf hat, dann ist das schon mal gut, aber daraus einen 80.000 Wörter-Wälzer (oder mehr!) zu machen ist richtig schwierig. Du hast zwar die Geschichte so halbwegs im Kopf – wie es anfängt, was im Mittelteil passiert und wie es zu Ende geht – aber du musst die ganzen Seiten dazwischen füllen. Das Schwierige dabei ist, nicht auf halber Strecke nicht aufzugeben, weil man denkt, es ist alles großer Mist und wird nie fertig.

    Du illustrierst deine Bücher selbst. Entsteht die Geschichte erst in Worten oder Illustrationen?

    Das kommt beides vor. Bei „Brïn “ habe ich erst geschrieben und dann skizziert. Bei „Winterhof“ war es anders, da hatte ich erst die Bilder im Kopf und habe vieles schon während des Schreibens grob skizziert. Es ist ein absoluter Traum, beides machen zu dürfen, das erlauben oder wollen nicht alle Verlage.

    Ich bin über deinen Buchblog auf dich aufmerksam geworden. Du rezensierst also Bücher, liest und kommentierst sie. Wie stark ist die kritische Rezensentin in dir, wenn du selbst schreibst?

    (überlegt) Ziemlich stark. Ich lese ich meine Bücher drölftausend Mal, bevor sie jemand anderes zu lesen bekommt. Wenn ich etwas geschrieben habe, fange ich an zu hinterfragen: Machst du da was, was du an anderen Büchern kritisieren würdest? Dann merze ich aus. Ich bin auch nicht zimperlich, wenn es um „Kill your Darlings“ geht, das Streichen der eigenen Lieblingspassagen oder -szenen.

    Hast du einen Tipp für angehende Autor*innen?

    Setz dich hin und schreib. Man kann noch so viele Ratgeber lesen, doch das ist der einzige Tipp, der hilft. Die Szenen müssen geschrieben werden, egal, wie schwer es ist. Gerade, wenn man nicht mehr „locker“ weiterkommt, driftet man gerne in Social Media ab oder liest stundenlang Autorentipps. Aber ich ignoriere solche Ratgeber völlig und sage immer: Nee, das einzige, was hilft, ist weiterschreiben. Alles andere – korrigieren, redigieren, perfektionieren – kann später gemacht werden. Aber die groben Umrisse müssen dafür erstmal aufs Papier. Egal, in welcher Qualität.

    Wie gehst du mit Kritik um?

    Ich guck erstmal, von wem sie überhaupt kommt. Ist das jemand, der differenziert mit Sachen umgeht, oder ist es jemand, der ständig grantelt? Bei mir kommen oft queere und gemischtfarbige Menschen vor und da kommen manchmal Emails mit den ulkigsten und auch unverschämtesten Kommentaren. Aber das schmeiße ich über die Schulter und fertig. Wichtiger sind die Kritiker, deren Meinung einen interessiert. Aber vieles ist subjektives Empfinden. Wenn ihnen also etwas nicht gefällt, fühlt sich das natürlich nicht schön an, ist aber auch kein Weltuntergang.

    Wie gehst du denn beim Schreiben vor? Plottest du alles erst durch, arbeitest Charaktere komplett aus, oder kommt das nach und nach?

    Ich bin eine sehr chaotische Schreiberin (lacht). Meistens habe ich nur einzelne Szenen im Kopf, um die sich das ganze Buch herum entwickelt. Das muss nicht mal die wichtigste Szene sein. Ich arbeite mich kreuz und quer durch die Kapitel, bis alles steht. Dabei fange ich mit dem an, was mir am meisten Spaß macht. Zuerst kommt meistens der Epilog. Es ist also ein ziemliches Hin und Her, für mich aber die logischere Arbeitsweise. Ich würde sonst vieles wieder vergessen, wenn ich erst eine Reihenfolge festlegen und dann chronologisch abarbeiten würde. Die Charaktere habe ich meist so lebendig vor Augen wie echte Menschen. Die werfen mir ihre Persönlichkeit einfach an den Kopf und ich muss dann damit klarkommen.

    Eine letzte Frage: Wie gehst du mit Blockaden um?

    Mit richtigen Blockaden hatte ich bisher nicht zu tun. Ich denke, das liegt daran, dass ich mich nicht festbeiße und mich nicht von einer momentan fehlenden Idee verrückt machen lasse. Ich arbeite beim Schreiben auch nicht mit Deadlines und wenn es mal nicht läuft, dann mache ich bei der Gestaltung eines anderen Projektes weiter, illustriere zum Beispiel. Die Abwechslung hebelt die Fixierung auf ein Problem aus.

     

    Fotos: Annika Seiferlein

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