• Menü
  • Film
  • Am Rande von Raum, Zeit und Logik

    Zwischen kindgerechter Seichtigkeit und hohen politischen Ambitionen versucht Regisseurin DuVernay mit „Das Zeiträtsel“ einen Spagat, der es leider nicht schafft, wirklich mitreißendes Kino zu sein.

    Wäre ich heutzutage ein kleines Mädchen, würde es mir mittlerweile wahrscheinlich ziemlich auf die Nerven gehen, von allen Seiten gesagt zu bekommen, dass ich doch, obwohl oder gerade weil ich ein Mädchen bin, ALLES schaffen und sein kann was ich möchte. In der Kinderfilm-Tradition der letzten Jahre ist auch „Das Zeiträtsel“ von Regisseurin Ava DuVernay ein Disney-Film mit einer jungen und sogar ethnisch diversen Protagonistin, die vor allem auf dem großen Quest zu sich selbst zu sein scheint.

    Nachdem ihr Vater Dr. Alex Murry (Chris Pine) auf mysteriöse Weise bei einem Experiment verschwand, hat Meg (Storm Reid) mit allerhand Problemen in der Schule zu kämpfen. Sie gilt als sonderbar, wird von Mitschülerinnen gemobbt und sogar ihre Noten leiden trotz ihrer hohen Intelligenz zusehends. Zusammen mit seiner ebenfalls einen Doktortitel tragenden Frau Kate (Gugu Mbatha-Raw) hatte Dr. Murry an einer Erfindung namens Tesseract gearbeitet, die es ermöglichen sollte, nur mit mentaler Anstrengung durch Raum und Zeit zu reisen. So bekommen Meg und ihre Familie eines Abends Besuch von einem außerirdischen Wesen, das sich als Frau Wasdenn (Reese Witherspoon) vorstellt und behauptet, zusammen mit ihren Kumpaninen Frau Diedas (Mindy Kaling) und Frau Dergestalt (Oprah Winfrey), ein Hilfesignal von Dr. Murry aufgespürt zu haben. Nach anfänglichem Zögern gelingt es den Dreien, Meg von der abenteuerlichen Suche nach ihrem Vater zu überzeugen und sie zusammen mit ihrem kleinen Adoptivbruder Charles Wallace (Deric McCabe) und dem Nachbarsjungen Calvin O’Keefe (Levi Miller), der ziemlich offensichtlich ein Auge auf Meg geworfen hat, ins Weltall zu schicken.

    Kinder im Abenteuerland

    Die drei Abenteurer

    Was mit den animierten Merida, Anna und Vaiana gelang, nämlich eine solide Geschichte mit wichtigen Botschaften über Repräsentation zu unterstützen, kommt mit Meg in „Das Zeiträtsel“ eher holprig daher. Die Handlung des Films wirkt wie ein überschaubares, klappriges Gerüst, welches die ambitionierten Aussagen über Diversität und die Schwierigkeiten eine afroamerikanische Frau in Amerika zu sein, trägt, aber selbst wenig darüber aussagt. Es fehlt der Geschichte trotz fantastischer außerirdischer Welten und viel Herz an Substanz und Fluss, sodass ein richtiges Mitgerissen-Werden leider ausbleibt und sich eher das Gefühl einstellt, dass dieser Film etwas Großes hätte sein können.

    Die drei Außerirdischen

    Frau Wasdenn, Frau Diedas und Frau Dergestalt

    Als Ausgangsstoff diente der 1962 erschienene Science-Fiction-Roman „A Wrinkle in Time“ von Madeleine L’Engle, der 2003 bereits als kanadische TV-Produktion verfilmt worden war. Trotz seiner Relevanz in Bezug auf Besetzung und narrativer Intentionen wirkt „Das Zeiträtsel“  unweigerlich nicht ganz zeitgemäß. Wenn metaphysische Zusammenhänge sinnbildlich mit „weil halt Wissenschaft“ erklärt werden, wohl um die Kinder neben den verrückten Fantasy-Figuren und Namen nicht auch noch mit Logik zu überfordern, und der Bösewicht mit reiner Selbstliebe bezwungen werden kann, dann hat dieser Film seine Hauptzielgruppe, nämlich Kinder und Jugendliche, die im politischen Chaos mittlerweile eigenständig Proteste gegen Waffen an ihren Schulen organisieren, nicht richtig erkannt.

    Gefangen

    Dr. Murry in den Fängen des ‘Es’

    Eigentlich hatte sich DuVernay mit ihrem Drama „Selma“ und der Netflix-Dokumentation „Der 13.“ bereits als politische Stimme im Filmgeschäft etabliert, doch sollte nicht auch bei Produktionen mit hohem Budget und noch höherer Reichweite nicht auch der Anspruch sein, neue Wege zu erschließen und nicht genau dasselbe, nur diesmal mit Frauen, zu machen? „Das Zeiträtsel“ hat viele wunderschöne und progressive Momente, bei denen man sich wünscht, sie als kleines Mädchen hätte sehen zu können, zeigt aber vor allem, dass Hollywood so wenig Erfahrung mit Diversität und einer weiblichen Hauptrolle zu haben scheint, dass die ambitionierte Selbstliebe-Metapher, die dieser Film ist, so enttäuschend plump daherkommt.

     

    In den Kinos ab: 5. April 2018

     

    Fotos: The Walt Disney Company France

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.