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    Die Sonntagskolumne

    „Weißt du, was bald wieder im Fernsehen läuft?“, meinte mein Freund voller Vorfreude vor Kurzem zu mir. Ich musste nicht lange überlegen und rollte mit den Augen. Es ist Mitte Januar, Trash-TV-Hochsaison. Kommende Woche startet die zwölfte Staffel „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ alias „Dschungelcamp“ auf RTL. Bis Anfang Februar werden zwölf „Promis“ allabendlich einen Marktanteil von erwartungsgemäß rund 40 Prozent erzielen. Mittwochs verteilt dann „Der Bachelor“ rote Rosen an devote Kandidatinnen, von denen zum Schluss eine seine Auserwählte sein darf. In diesem Jahr buhlen die Damen um den 32-jährigen Immobilienmakler Daniel. Seine Traumfrau beschreibt der Junggeselle wie folgt: „Sie sollte offen, ehrlich und selbstsicher sein. Auch der Humor spielt eine große Rolle für mich.“ Damit Daniel seine wahre Liebe möglichst schnell von den anderen Kandidatinnen unterscheiden kann, präsentiert RTL alle Frauen im Vorfeld der Sendung im exklusiven Bikini-Shooting online. Kotz.

    Reality-TV ist kein Randphänomen, sondern Massenunterhaltungs-Maschinerie der deutschen Fernsehlandschaft. Egal ob „Frauentausch“, „Promi-Dinner“ oder „Verdachtsfälle“: Jeder von uns hat doch schon einmal eingeschaltet, um zuzusehen, wie Menschen sich freiwillig vorführen lassen. Das altbewährte Motto lautet: „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“. Der Dritte, das sind wir, die Konsumenten. Doch wir sind nur ein kleines Zahnrad in einem großen Getriebe, das mit unserer Langeweile, unserer Schadenfreude und unserem Hang zum Voyeurismus Geld verdient. Und zwar richtig viel Geld.

    Kolumnistin Luise Mosig

    Kolumnistin Luise Mosig

    Seit Anfang Januar setzt ProSieben noch einen drauf. In der brandneuen Reality-Show „Get the f*ck out of my House” zwängen sich 100 Teilnehmer in ein Einfamilienhaus. Wer es am längsten aushält – dazu gehört es, mit 200 Kilokalorien Energiezufuhr pro Tag auszukommen, auf der Küchenzeile zu nächtigen und auf den Boden zu kacken, weil die zwei Toiletten dauerbesetzt ist – kassiert am Ende ein Preisgeld von 100.000 Euro. Vorteil dieses Formats: Der vorprogrammierte Lagerkoller, der praktisch im Minutentakt Konfliktsituationen hervorruft, erspart den Produzenten das lästige Skripten der einzelnen Folgen. Was in den Sternstunden des deutschen Trash-TVs bei „Big Brother“ funktionierte, klappt auch noch im Jahr 2018. Draufhalten und abwarten ist die Devise.

    Am erschreckendsten finde ich dabei, dass die Zielgruppe dieser Art von Unterhaltungssendung keineswegs die ist, für die wir sie so gern halten. Viele meiner Freunde und Bekannten schalten regelmäßig ein, wenn die privaten Rundfunksender Kakerlaken an Kandidaten verfüttern und Schwiegertöchter, Bauers- und Traumfrauen suchen. „Ist doch lustig“, meint mein Freund dazu. „Ist ja alles nur Show“, „Die Kandidaten wissen doch, worauf sie sich einlassen“ und „Ich mach‘ es nur nebenbei an, um mich beim Lernen ein wenig berieseln zu lassen“ sind weitere gängige Erklärungsversuche.

    Dass diese Art von Reality-TV menschenverachtend ist und alles über den Haufen wirft, was die moderne Gesellschaft sich in 2000 Jahren Zivilisation angeeignet hat, scheint dabei nebensächlich. Dass ein Frauenbild der Fünfziger Jahre vermittelt wird, sowieso. Wer die oben genannten Erklärungsversuche anbringt, sobald man ihn mit seinem Trash-TV-Konsum konfrontiert, der sollte die ganze Sache noch einmal überdenken. Wer unbewusst hinschaut, der kann auch bewusst wegschauen. Und so die deutsche Fernsehlandschaft auf lange Sicht vielleicht ein kleines bisschen menschenwürdiger machen.

    „Get the f*ck out of my House“ lief übrigens mit ernüchternden Einschaltquoten an. Wer weiß, ob es eine zweite Staffel geben wird. Macht aber nichts. Spätestens nächsten Januar wird ein neues fragwürdiges Format über die Bildschirme flimmern, das den unstillbaren Trash-TV-Hunger der „Ich-schaue-es-nur-weil-ich-dabei-so-schön-abschalten-kann“-Deutschen befriedigen wird.

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