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    Filmrezension: Personal Shopper

    Wer den Trailer von „Personal Shopper“ sieht, der erwartet einen handfesten Thriller, so richtig mit Geisterhaus, tödlichen Psychospielchen und nervenaufreibenden Szenen, bei denen man sein Gesicht tief ins Kissen vergräbt. Doch „Personal Shopper“ ist bei weitem kein klassischer Thriller und will sich auch gar nicht auf dieses Genre festlegen.

    Die US-Amerikanerin Maureen, gespielt von Kristen Stewart, trauert in Paris um ihren kürzlich verstorbenen Zwillingsbruder Lewis. Sie will die Stadt nicht verlassen, bevor sie Kontakt zu Lewis‘ Geist aufgenommen hat, obwohl sie unsicher ist, ob dies überhaupt möglich ist. Um sich ihren Aufenthalt in Frankreichs Hauptstadt zu finanzieren, erledigt sie Mode-Einkäufe für eine reiche Prominente namens Kyra (Nora von Waldstätten).

    Maureen_arbeitet_als_Personal_Shopper_fuer_CelebritiesWährend Maureen auf ein Zeichen aus dem Jenseits wartet, begleitet der Zuschauer sie durch ihren Alltagstrott: Sie fährt teuren Schmuck und extravagante Kleider auf einem Motorroller durchs herbstliche Paris, probiert heimlich die für Kyra bestimmten Sachen an und skypt mit ihrem Freund, der sie darum bittet, doch endlich nach Hause zu kommen. Doch Maureen lässt die Seele ihres toten Bruders nicht in Ruhe. Sie versucht immer wieder krampfhaft, ein Zeichen von ihm zu erhalten und hat schließlich auch Begegnungen mit übernatürlichen Erscheinungen. Nach einem kurzen, intensiven Gespräch mit Kyras Liebhaber Ingo (Lars Eidinger) bekommt Maureen plötzlich mysteriöse SMS-Nachrichten von einem unbekannten Absender, der viel über sie zu wissen scheint, seine Identität jedoch nicht preisgeben will.

    Kristen Stewart fängt die apathische Trauer Maureens um ihren Bruder glaubhaft ein und ist nahezu in jeder Szene des Films zu sehen. Doch leider ist die Distanz zum Zuschauer zu groß. Maureen wirkt oft abwesend, unnahbar und gleichgültig. An ihre brillante Verkörperung von Valentine in Assayas‘ letztem Film „Die Wolken von Sils Maria“, für die sie als erste US-amerikanische Schauspielerin mit einem César – dem französischen Äquivalent zum Oscar – ausgezeichnet wurde, kann Stewart nicht anknüpfen. Interessanterweise spielt sie in „Sils Maria“ eine persönliche Assistentin einer Schauspielerin, was nicht die einzige Analogie zu „Personal Shopper“ darstellt. Auch die Parallelen zwischen Fiktion und Realität sind zentrales Thema in beiden Werken.

    Assayas experimentiert mit aktuellen Formen der Alltagskommunikation und ersetzt einen erheblichen Teil gesprochener Dialoge, indem er die Kamera auf Maureens Smartphone hält, während sie wie gebannt mit dem Unbekannten über ihre tiefsten Ängste und Wünsche chattet. Das ist zwar nett gedacht, doch das minutenlange Mitlesen von Textnachrichten wird für den Zuschauer schnell nervig und wirkt ermüdend.

    Der Film enthält Elemente des Dramas, des Horror- und Mysteryfilms und des Psychothrillers. Er kann auch als Satire auf den modernen Materialismus und die oberflächliche Welt der Mode gesehen werden. Diese Mischung ist interessant, jedoch unbefriedigend, da angeklungene Muster oft einfach fallengelassen werden und die dramaturgische Richtung der Story ständig scheinbar wahllos verändert wird.

    Regisseur Olivier Assayas bezeichnet den Film selbst als „moderne Geistergeschichte“, doch der Spuk ist immer wieder zu schnell vorbei, als dass Spannung aufgebaut werden könnte. Dennoch ist die Story nicht vorhersehbar. Leider auch nicht wirklich zusammenhängend. Das irritierende offene Ende macht das Ganze nicht besser: Bei seinem ersten Screening vor renommierten Vertretern der Filmbranche erhielt der Film Buh-Rufe aus dem Publikum, das mit der ambivalenten Schlusssequenz wohl unzufrieden war.

    Vom verwirrenden Plot abgesehen ist „Personal Shopper“ ein kinematographisches Experiment, das mit Genres genauso spielt wie mit dem schmalen Grat zwischen Realität und Spiritualität. Dem Regisseur Olivier Assayas brachte der Film bei den Filmfestspielen in Cannes einen Preis in der Kategorie „Beste Regie“ ein.

    „Personal Shopper“ ist seit Januar 2017 in den deutschen Kinos zu sehen und erscheint am 23. Juni auf DVD.

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