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  • Leipzig droht seine Musik zu verlieren

    Neue Polizeiverordnung verschärft Regeln für Straßenkünstler.

    Der Stadtrat hat die für September geplante Abstimmung über eine geänderte Polizeiverordnung kurzfristig verschoben. Es gibt wohl noch Redebedarf.

    Die Polizeiverordnung ist ein Regelkatalog für Leipzig, der die Sicherheit und Ordnung in der Stadt garantieren soll. Hier wird beispielsweise festgelegt, wann und wo auf öffentlichen Grünanlagen gegrillt wer­den darf oder ab wann eine Party als Ruhestörung gilt. Auf Grundlage dieser Verordnung kann die Polizei oder das Ordnungsamt eingreifen und eventuell Bußgelder verlangen.
    Ebenfalls in der Polizeiverordnung inbegriffen sind Einschränkungen für Straßen­musiker. Bislang ist dort allerdings nur der Einsatz von Verstärkeranlagen ohne vorherige Sondergenehmigung verboten. Weitere Verhaltens­re­geln verstehen sich als frei­willige Konsensregelungen, die sinnvoll, aber nicht rechtsverbindlich sind. Straßenmusiker sind etwa dazu angehalten, regelmäßig ihren Standort zu wechseln und besonders laute Instrumente nicht länger als 15 Minuten am Stück zu verwenden.

    Nun sollen handfeste Normen eingeführt werden, die weit über die freiwilligen Konsensregelungen hinaus gehen. Geschäftsinhaber und Kirchen in der Innenstadt hätten sich mehrfach über Störungen beschwert, heißt es in der Begründung des Dezernats für Umwelt, Ordnung und Sport. Straßenmusikanten würden län­gere Zeit am selben Ort in „erheblicher Lautstärke“ und oft mit „zweifelhafter musikalischer Qualität“ spielen. Die Rede ist von „nicht hinnehmbaren Belästigungen und – für Gewerbetreibende – zudem wirtschaftliche Schäden durch Einnahmeverluste“, die verhindert werden müssten. Wenn am 26. Oktober über die geänderte Polizeiverordnung abgestimmt wird, könnte das weitreichende Folgen für die Musikkultur in Leipzig haben. Straßenmusiker dürften dann zwar elektronische Verstärker benutzen, müssten jedoch immer unter 60 Dezibel Lautstärke bleiben, sie müssten alle 30 Minuten mindestens 200 Meter weiter gezogen sein und an gesetzlichen Feiertagen dürften sie gar nicht spielen.

    Angesichts dieser Veränderungen gerät der renommierte Straßenkünstler Alex Jacobowitz, der regelmäßig mit seinem Marimbaphon in Leipzig und anderen deutschen Städten auftritt, in Rage. „Ich habe ein 120 Kilo schweres Instrument. Ich brauche schon fast eine halbe Stunde, um alles aufzubauen und mich warm zu spielen. Und ich spiele ein richtiges Programm, das mindestens 50 Minuten dauert. Für mich wäre es unmöglich, alle 30 Minuten den Platz zu wechseln“, sagt er. Gleichzeitig hält er Regeln für Straßenmusiker generell aber für richtig: „Leipzig hat viele Jahre besonders unter Akkordeonspielern gelitten, die ihre Instrumente quasi als Waffen eingesetzt haben. Am schlimmsten sind Bettler, die ein Musikinstrument in die Hand gedrückt bekommen und damit vorgeben, musikalisch zu sein. Das hat nichts mit Musik zu tun.“ Jacobowitz kritisiert, dass in der Polizeiverordnung Bettler und Künstler in einen Topf geworfen würden. Er schlägt eine Genehmigung samt musikalischer Prüfung vor, die sich jeder Straßenmusiker vom Ordnungsamt abholen muss, bevor er spielen darf. So funktioniere es bereits in mehreren anderen Städten Deutschlands.

    Musiker mit handlicheren Instrumenten sehen die geplante Novellierung der Polizeiverordnung dagegen nicht so kritisch: „Ich finde das in Ordnung“, sagt der ukrainische Flötist Yurii Svyrydov auf Nachfrage. Er spielt mit einem Bläsertrio anspruchsvolle Stücke von Vivaldi und Mozart.

    Jacobowitz spielt in Leipzig gerne Clara Schumann, immerhin ist die Komponistin in der Messestadt geboren. In einem wehmütigen Brief aus der Ferne schrieb sie einst die berühmten Worte: „Ach wie beneide ich immer Leipzig um seine Musik!“

     

    Foto: Facundo Suarez Conrad

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